Wer unter Narkolepsie leidet, ist tagsüber müde und kann in allen möglichen Situationen plötzlich einschlafen. Das kann vor allem im Straßenverkehr gefährlich werden. Lesen Sie hier, was hinter der mysteriösen Schlafsucht steckt und wie sie behandelt wird.
Was ist Narkolepsie?
Narkolepsie ist eine seltene neurologische Erkrankung, die im Volksmund auch „Schlafkrankheit“, „Schlafsucht“ oder „Schlummersucht“ genannt wird. Der Schlaf-Wach-Rhythmus der Patienten ist gestört, sodass es zu einer verstärkten Tagesmüdigkeit kommt – bis hin zu einem unwiderstehlichen Schlafdrang während alltäglicher Situationen wie Schreibtischarbeit, Autofahren oder Kochen. Mediziner unterscheiden mehrere Formen der Narkolepsie: Bei der Typ-1-Narkolepsie gehen mit der andauernden Müdigkeit Kataplexien einher. Unter einer Kataplexie versteht man laut Definition das Erschlaffen der Muskeln, die Betroffenen sacken während der Schlafattacke in sich zusammen. Dies ist die klassische und häufigste Form der Narkolepsie.

Daneben gibt es die Typ-2-Narkolepsie, die ohne Kataplexien verläuft. Unter einer sekundären Narkolepsie versteht man eine Form der Schlafsucht, die als Begleiterscheinung von Verletzungen des Hirnstamms oder Gehirntumoren auftritt. Bei einer symptomatischen Kataplexie handelt es sich um eine eigenständige Erkrankung, die ohne Narkolepsie als Folge einer anderen Grunderkrankung auftritt.
In Deutschland leiden etwa 40.000 Menschen an Narkolepsie. Allerdings ist die Dunkelziffer womöglich weit höher, da die Krankheit selbst für erfahrene Ärzte schwer zu erkennen ist. Die ersten Anzeichen der Erkrankung treten meist zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr auf, doch bis zur Diagnose „Narkolepsie“ können mitunter Jahre vergehen.
Was sind die Ursachen von Narkolepsie?
Bei Narkolepsie handelt es sich um eine Funktionsstörung des Gehirns. Es ist also eine körperliche Erkrankung und keine psychische – auch wenn die Symptome denen einer Depression oder Alkoholsucht ähneln können. Die Ursachen dieser neurologischen Erkrankung sind noch nicht vollständig geklärt. Experten vermuten ein Zusammenspiel aus Vererbung und Umwelteinflüssen.
Es wird diskutiert, ob Narkolepsie zu den Autoimmunerkrankungen zählt, bei denen sich die Immunabwehr gegen körpereigene Zellen richtet: Neueste Untersuchungen konnten nämlich belegen, dass sich in der Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit von Narkolepsie-Patienten weniger Hypocretin befindet – ein Botenstoff, der bei der Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus eine wichtige Rolle spielt. Man vermutet, dass eine fehlgesteuerte Immunreaktion dafür verantwortlich ist, dass die Hypocretin produzierenden Zellen zerstört werden.
Auch infektiöse Auslöser wie Grippe-Viren und Streptokokken könnten zu den Ursachen zählen. In Zusammenhang mit der Impfung gegen Schweinegrippe kam es vermehrt zu Fällen von Narkolepsie. Ob das bei der Grippeimpfung verwendete Medikament Pandemrix allerdings wirklich der Auslöser der Schlafsucht ist, konnte nicht eindeutig belegt werden. Mitunter können auch starker Stress, entzündliche Erkrankungen wie Multiple Sklerose (MS), Schlaganfälle und Narkosen der Narkolepsie vorausgehen. Doch auch hier ist ein ursächlicher Zusammenhang nicht bewiesen.
Was sind die Symptome von Narkolepsie?
Typisch für alle Formen der Narkolepsie ist eine starke Tagesschläfrigkeit bis hin zum Schlafdruck. Patienten mit stark ausgeprägter Narkolepsie werden im Alltag von plötzlichem Schlafzwang übermannt, selbst wenn sie nachts ausreichend geschlafen haben. Insbesondere in abgedunkelten Räumen, beispielsweise im Kino, oder bei Passivität, etwa beim Zuhören während eines Vortrags, fallen den Betroffenen unwillkürlich die Augen zu. Die Schlafattacke kann von wenigen Minuten bis hin zu einer Stunde dauern. Die Patienten lassen sich zwar wecken, schlafen aber meist erneut ein, wenn die Schlafphase für sie nicht lang genug war. Häufig kündigt sich ein solcher Schlafanfall durch undeutliches Sprechen und einen unsicheren Gang an, in manchen Fällen werden die Patienten auch aggressiv.
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Neben der extremen Schläfrigkeit kommt es bei 80 bis 90 Prozent der Patienten zu einer Kataplexie: Die Muskelspannung geht verloren, sodass der Betroffene Gegenstände fallen lässt oder selbst hinfällt. Weitere typische Symptome einer Narkolepsie sind gestörter Nachtschlaf, Schlaflähmungen und schlafbezogene Halluzinationen. Die Betroffenen finden nachts keine Ruhe, wälzen sich hin und her oder werden von Albträumen geplagt. Beim Übergang vom wachen in den Schlaf-Zustand können sie sich nicht bewegen und/oder erleben realitätsnahe Sinnestäuschungen. Versucht der Narkolepsie-Patient, den Schlafzwang zu unterdrücken, kann es zu automatischem Verhalten kommen: Er führt im Halbschlaf begonnene Handlungen weiter aus, was insbesondere im Straßenverkehr und beim Führen von Maschinen gefährliche Situationen provozieren kann.
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Menschen mit Narkolepsie werden oft von Alpträumen geplagt. (c) Paolese / Fotolia
Wie erkennt der Arzt Narkolepsie?
Für den Arzt ist Narkolepsie nicht leicht zu erkennen. Symptome wie Tagesschläfrigkeit und Kataplexie können auch im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen und Syndromen wie Schlaf-Apnoe oder als unerwünschte Nebenwirkung bestimmter Medikamente auftreten. Welchen Arzt sollten Sie also aufsuchen, wenn Sie bei sich eine Narkolepsie vermuten? Empfehlenswert ist der Besuch bei einem erfahrenen Neurologen oder Schlafmediziner. Er kennt die Diagnosekriterien und wird zunächst Ihre Krankengeschichte aufnehmen, um anschließend anhand von speziellen Fragebögen oder Schlaftagebüchern die Art und Schwere der Schlafstörung festzustellen.
Darüber hinaus können im Schlaflabor verschiedene Körperfunktionen wie Muskelaktivität, Augenbewegungen und Hirnkurven gemessen werden, um ein individuelles Schlafprofil zu erhalten. Ist die Diagnose unklar, kann der Arzt eine Nervenwasserpunktion anordnen. Dabei bestimmt er den Hypocretin-Spiegel, welcher bei Narkoleptikern mit Kataplexien erniedrigt ist. Verläuft die Schlafsucht ohne das Erschlaffen der Muskeln, ist die Krankheit schwerer zu diagnostizieren.
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Wie wird Narkolepsie behandelt?
Hat der Arzt die Diagnose Narkolepsie gestellt, gibt es für den Patienten verschiedene Therapiemöglichkeiten. Gegen die Tagesschläfrigkeit können Tabletten verschrieben werden, beispielsweise Stimulanzien wie Modafinil. Auch mit ADHS-Medikamenten wie Methylphenidat, besser bekannt unter dem Handelsnamen Ritalin, wurden bereits Erfolge erzielt. Für die Behandlung weiterer Symptome wie Kataplexien, Schlaflähmungen und Halluzinationen können Antidepressiva eingesetzt werden. Seit 2016 ist mit Pitolisant, einem Wirkstoff aus der Gruppe der Antihistaminika, ein neues Medikament für die Narkolepsie-Therapie zugelassen. Unterstützend können Naturheilmittel zum Einsatz kommen.
Für Narkolepsie-Patienten ist ein geregelter Schlaf-Wach-Rhythmus wichtig. Erstellen Sie einen persönlichen Schlafplan, gehen Sie abends immer zur selben Uhrzeit ins Bett und stehen Sie morgens immer zur gewohnten Zeit auf. Tagsüber sollten Sie sich zwei bis drei Erholungspausen gönnen, wenn möglich in Form eines kurzen Nickerchens. Eine ausgewogene, zuckerarme Ernährung und der Verzicht auf Alkohol sind ebenfalls ratsam, um gefährliche Schlafattacken während des Tages zu verringern.
Wie kann ich Narkolepsie vorbeugen?
Narkolepsie kann man nicht gezielt vorbeugen. Wer vermutet, dass daran leiden könnte, sollte umgehend einen (Fach-)Arzt aufsuchen, um eine Therapie zu beginnen. Informieren Sie auch Ihr Umfeld, da Freunde, Familie, Arbeitgeber und Kollegen die plötzlichen Schlafanfälle als Faulheit, Desinteresse oder Anzeichen einer Depression fehlinterpretieren könnten. Wichtig zu wissen: Narkolepsie hat den Status einer Schwerbehinderung und kann zur Berufsunfähigkeit führen. Je nach Häufigkeit und Ausprägung der Symptome wird ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 bis 80 angesetzt. Betroffenen stehen abhängig von Art und das Ausmaß der Behinderung soziale Hilfeleistungen zu.
Um im Alltag Verletzungen und Unfälle zu vermeiden, sollten Narkolepsie-Patienten genau wissen, wann ihre persönlichen Phasen der Tagesschläfrigkeit für gewöhnlich auftreten. Sind Sie müde, sollten Sie von Situationen mit erhöhtem Risiko Abstand nehmen – dazu zählt auch Autofahren. Einen generellen Führerscheinentzug gibt es aber nicht. Verfügen Betroffene über einen Führerschein, sind sie in wachen Phasen dazu in der Lage, ein Fahrzeug genauso sicher zu führen wie ein gesunder Mensch. Auch bei der Berufswahl sollten Narkoleptiker ihre Krankheit berücksichtigen und sich einen Arbeitsplatz ohne erhöhtes Unfallrisiko suchen. Berufe wie Kraftfahrer, Baggerführer oder Dachdecker sind aufgrund der Einschlafneigung ungeeignet.
Wie sind die Heilungschancen bei Narkolepsie?
Nach heutigem Wissensstand gibt es keine Heilung. Die Narkolepsie bleibt für die Betroffenen ein lebenslanger Begleiter. Sie sollten sich daher mit ihrer Erkrankung auseinandersetzen und individuelle Strategien entwickeln, um besser mit den Symptomen wie Tagesschläfrigkeit und Kataplexie umgehen zu können. Wichtig: Eine frühzeitig eingeleitete Therapie kann diese deutlich lindern und die Lebensqualität der Patienten erheblich verbessern. Da Narkoleptiker ein erhöhtes Unfallrisiko haben, sollten sie kritische Situationen meiden und sich im Alltag regelmäßige Auszeiten gönnen. Dann haben sie die gleiche Lebenserwartung wie gesunde Menschen.
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