In den meisten Fällen schafft es das menschliche Immunsystem selbstständig, gegen Krankheitserreger anzukämpfen. Doch manchmal reicht die eigene Immunabwehr nicht aus, wenn sie mit einem bisher unbekannten Erreger konfrontiert wird. Dem Körper fehlen schlichtweg die Waffen, um gegen die Keime anzukommen und durchläuft einen teils schweren Krankheitsverlauf. Impfungen sollen das Immunsystem auf solche Situationen präventiv vorbereiten, damit massive gesundheitliche Folgen erst gar nicht auftreten.
Seit der ersten Pockenimpfung im Jahr 1796 ist viel Zeit vergangen, in der die Forschung zahlreiche Impfstoffe gegen diverse Krankheiten entwickelt hat. Durch die Pandemielage ist das Thema Impfung aktueller denn je. Wir erklären für Sie einfach und verständlich, welche Impfstoffarten es gibt, auf welche Weise sie auf das Immunsystem einwirken und welchen Schutz sie unserem Körper bieten.
Impfung als präventive Maßnahme gegen Krankheiten
Wir trainieren unsere Abwehrkräfte ein Leben lang. Bewegung und eine gesunde Lebensweise tragen wesentlich dazu bei, uns fit zu halten. Doch nicht immer reichen diese Maßnahmen aus. Gegen unbekannte Viren benötigt das Immunsystem Unterstützung, um den Organismus vor massiven Schäden zu schützen.
Indem der Körper durch eine Impfung eine Art Probedurchlauf macht und die notwendigen Antigene ausbildet, die zur Bekämpfung der Viren erforderlich sind, ist das Immunsystem auf eine echte Infektion vorbereitet und kann auf die eindringenden Keime reagieren. Da dem Erreger kein Überraschungsangriff gelingt, bleibt der Ausbruch oder ein schwerer Verlauf der Krankheit aus.
> So funktioniert unser Immunsystem
Antigene und Antikörper
Ausschlaggebend für eine passende Immunantwort sind die Antikörper, die von unserem Immunsystem generiert werden. Sobald ein Erreger in den Organismus eindringt und dessen Antigene, fremde Proteine, als Gefahr erkannt werden, fangen unsere Immunzellen an, Antikörper zu produzieren. Diese Antikörper sind die Immunantwort auf eine Infektion und bekämpfen den Erreger, indem sie sich nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip an das Antigen binden und es damit unschädlich machen.
Antigene sind keine Gene
Antigene haben nichts mit Genen zu tun. Der Begriff leitet sich von „Antikörper generierend“ ab (englisch: „Antibody generating“). Antigene sind Oberflächenmerkmale auf der Zellwand, die das Immunsystem analysiert und in „gut“ und „böse“ einstuft. Bei einer Autoimmunerkrankung meldet das Immunsystem fälschlicherweise ein körpereigenes Antigen als Gefahr und bekämpft den eigenen Organismus.
Die abgeschwächten Viren oder Virenbestandteile im Impfstoff lösen im Körper genau diese Immunreaktion aus und regen das Immunsystem an, erstmals Antikörper und Gedächtniszellen zu produzieren. Die Gedächtniszellen erkennen den Erreger wieder und können jederzeit reagieren, wenn eine echte Infektion stattfindet. Auffrischungsimpfungen helfen dem Immunsystem dabei, den Antikörperspiegel aufrechtzuerhalten und dieses Wissen wieder zu reaktivieren.
> Was Sie über Impfungen wissen sollten
Welche Impfstoffarten gibt es?
Lebendimpfstoffe
Bei Lebendimpfstoffen werden die Krankheitserreger abgeschwächt. Sie sind zwar lebensfähig und können sich somit vermehren, ihre krankmachenden Eigenschaften werden aber abgezüchtet, sodass sie keine akute Infektion auslösen können. Diese werden auch als „attenuierte Erreger“ bezeichnet. Sobald die abgeschwächten Keime in Form einer Impfung verabreicht werden und in den Organismus gelangen, entwickelt der Körper eine Abwehrreaktion, indem die Infektion nachgeahmt wird und Antikörper gebildet werden. Der Vorteil von Lebendimpfstoffen ist, dass sie eine starke Immunantwort auslösen und in der Regel einen langen bis lebenslangen Impfschutz bieten. Ein Beispiel hierfür ist die Impfung gegen Masern, bei der nach einer zweifachen Impfung von einem lebenslangen Schutz ausgegangen wird. Weitere Beispiele für Lebendimpfstoffe sind Impfungen gegen Mumps, Röteln und Windpocken.
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Da es sich bei Lebendimpfstoffen um vermehrungsfähige Erreger handelt, kommt es in Ausnahmefällen auch zu ähnlichen Beschwerden, wie sie die Krankheit selbst hervorrufen kann. Diese sind zumeist jedoch sehr schwach und dauern nur wenige Tage an. Zwar bringen sie keine gesundheitlichen Risiken mit sich, nichtsdestotrotz gelten daher spezielle Empfehlungen.
Lebendimpfstoffe dürfen während einer Schwangerschaft nicht verabreicht werden, da die abgeschwächten Erreger dem ungeborenen Kind schaden könnten. Darüber hinaus sollte man nach einer Schwangerschaft einen Monat bis zu einer Lebendimpfung abwarten. Für die Stillzeit gelten Sonderregelungen, sodass stillende Mütter vor einer Impfung unbedingt Absprache mit dem Arzt halten sollten. Außerdem ist eine Immunschwäche ein Ausschlusskriterium für einen Lebendimpfstoff, da die vermehrbaren Impfstoffviren dem schwachen Immunsystem schaden können.
Totimpfstoffe
Totimpfstoffe bezeichnet man auch als inaktivierte Impfstoffe. Sie enthalten abgetötete Viren oder deren Bestandteile, die sich nicht mehr vermehren und somit keine Infektion auslösen können. Die Erreger werden mithilfe von verschiedenen Prozessen, wie zum Beispiel durch Hitze oder Hilfsstoffen, unschädlich gemacht. Ähnlich wie bei Lebendimpfstoffen wird durch die Impfung die körpereigene Abwehrreaktion aktiviert und Antikörper gegen den Erreger gebildet. Die Immunantwort ist beim Totimpfstoff im Vergleich zum Lebendimpfstoff jedoch schwächer, weshalb der Impfschutz mit der Zeit nachlässt und eine regelmäßige Auffrischung notwendig ist.

Manche Totimpfstoffe enthalten daher auch Wirkverstärker, die sogenannten Adjuvantien. Diese werden als Zusatzstoffe eingesetzt, um die Immunisierung zu steigern. Totimpfstoffe werden beispielsweise gegen Hepatitis B, Keuchhusten und Tetanus eingesetzt.
Ein klassischer Totimpfstoff gegen das Sars-CoV-2-Virus ist derzeit in der Studienphase. Aktuell fehlen noch einige Daten, um das Zulassungsverfahren in die entscheidende Phase zu bringen (Stand: 24.01.2022). Das Valneva-Vakzin besteht aus inaktiven, also abgetöteten Corona-Viren und bietet damit mehrere Angriffsziele, auf die das Immunsystem reagieren kann. Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass dieser Impfstoff auch einen adäquaten Schutz gegen die Omikron-Variante bieten könnte.
Der proteinbasierende Impfstoff Novavax, ein „Quasi-Totimpfstoff“, hat seine Zulassung bereits im Januar 2022 erhalten. Kopien des Spike-Proteins, der Schwachstelle des Virus, werden in den Körper geschleust und regen nach dem Prinzip eines Totimpfstoffs das Immunsystem zur Antikörperbildung an. Für eine verbesserte Wirksamkeit und die Erhöhung einer Immunreaktion soll der Wirkverstärker Saponin sorgen.

Genbasierte Impfstoffarten
Während bei Lebend- und Totimpfstoffen abgeschwächte oder inaktive Viren und Virenbestandteile verimpft werden, muss der Körper bei genbasierten Impfstoffen das Erreger-Antigen selbst herstellen und damit eine Immunreaktion hervorrufen. Der Organismus benötigt dazu lediglich die Bauanleitung des Erreger-Antigens in Form von RNA oder DNA.
Vektorimpfstoff
Der Vektorimpfstoff benutzt ein Transportmittel, sog. Vektorviren, um den Bauplan für das Erregerprotein in die Körperzellen einzuschleusen. Bei den Trägerviren handelt es sich um harmlose, modifizierte Viren, die keine Krankheit auslösen. Dabei wird die DNA des Vektorvirus durch die DNA für das Erregerprotein ausgetauscht. Dieser nicht-replizierende Vektorimpfstoff kann demnach ausschließlich Antigene produzieren.
Das Transportvirus dringt in eine Körperzelle ein und übermittelt den Bauplan für das Antigen. Zunächst muss die DNA des Erregerproteins in mRNA übersetzt werden. Erst dann erfolgt die Freigabe an die Ribosome, die für die Produktion von Proteinen zuständig sind. Diese Zellen lesen den Bauplan aus und stellen die Erreger-Antigene her. Sobald die Ribosome die Antigene ausschütten, wird sofort das eigene Immunsystem aktiv, identifiziert den Eindringling und beginnt, passende Antikörper zur Bekämpfung herzustellen.
Die Vergesslichkeit des Immunsystems
Die Zelle erhält eine Anleitung, wie sie ein fremdes Protein herstellt. Sobald sich das Vektorvirus mit dem gespeicherten Bauplan abbaut, geht damit auch die Information verloren und das Immunsystem beginnt, die Abwehrmechanismen zu vergessen. Daher ist eine Auffrischungsimpfung notwendig, um einen dauerhaften Schutz zu gewährleisten.
Vor der Freigabe der Corona-Schutzimpfung von AstraZeneca und Johnson und Johnson wurden bereits Vektorimpfstoffe gegen Ebola und das Dengue-Fieber zugelassen. Das Ebola-Vakzin durchlief ein beschleunigtes Verfahren, da eine Epidemie in Zentral- und Westafrika (2013–2016) Tausende Tote forderte und 2021 erneut Infektionen auftraten.
mRNA-Impfstoffe
Die mRNA-Impfung verkürzt den Immunisierungsprozess um einen Schritt. Anstatt ein Transportvirus zu verwenden und die Protein-DNA umschreiben zu lassen, wird bei dieser Impfung die mRNA direkt zusammen mit fetthaltigen Nanopartikeln in das Muskelgewebe injiziert. Die mRNA liefert die Informationen für die Herstellung des Antigens. Die Ribosome produzieren diese Antigene, auf die das Immunsystem reagiert und Antikörper ausbildet – der Körper stellt den Impfstoff sozusagen selbst her und sorgt für eine gute Immunisierung. Da es sich nur um einzelne Proteine handelt, kommt es zwar zu einer Immunantwort, aber zu keiner krankmachenden Infektion.

Die Präparate von BioNTech/Pfizer und Moderna sind zwar die ersten mRNA-Impfstoffe, neu ist die Technologie dahinter aber nicht. Seit 30 Jahren wird daran geforscht, seit 10 Jahren findet diese Methode Anwendung in der Krebstherapie. Bedingt durch die pandemische Lage wurde nun in die Weiterentwicklung und Anwendung der mRNA-Technologie investiert.Von Vorteil ist die einfache und günstige Herstellung dieser Impfstoffart. Nachteilig sind die besonderen Lagerbedingungen: Das Vakzin muss dauerhaft stark gekühlt werden, damit die mRNA nicht zerfällt. Wie auch beim Vektorimpfstoff ist eine Auffrischungsimpfung notwendig, da der Organismus die mRNA mit der Zeit abbaut.
Genbasierte Vakzine verändern nicht das Erbgut
Die mRNA für das Spike-Protein kann nicht in das menschliche Erbgut eingreifen. Die Botenmoleküle mit der mRNA docken an den Ribosomen, den Herstellungsmaschinen von Proteinen, an und reichen die Information für das Spike-Protein weiter. Damit kommen sie nicht mit Keimzellen in Kontakt. Zudem fehlt dem Menschen ein wichtiges Enzym, die Reverse Transkriptase, das die einsträngige RNA in die doppelsträngige DNA umbaut.
Wieso gibt es unterschiedliche Arten von Impfstoffen?
Krankheitserreger haben unterschiedliche Eigenschaften, die bei der Herstellung von Schutzimpfungen beachtet werden müssen. Außerdem haben Impfstoffe ebenfalls verschiedene Eigenschaften und Ansprüche an die Herstellung. Es wird vorab geprüft, welche Art von Impfstoff sich für welchen Krankheitserreger eignet.
Impfung gegen Viren oder Bakterien
Zuerst stellt sich die Frage, ob ein Impfstoff gegen eine Krankheit entwickelt werden muss, die durch ein Bakterium oder einen Virus ausgelöst wird. Ein schädliches Bakterium ist durch Kohlenhydrate auf seiner Oberfläche erkennbar. Ein antibakterieller Impfstoff kann folgende Immunreaktionen auslösen:
- Die Impfung erhöht die Produktion von Antikörpern, die sich an das Bakterium binden und somit den Fresszellen das Zeichen geben, den Eindringling zu eliminieren. Die Impfung schützt vor einer Infektion.
- Die Impfung regt das Immunsystem an, Antikörper gegen die Toxine eines Bakteriums zu produzieren. Die Impfung schützt somit nicht vor einer Infektion, aber vor deren Folgen.
> Bakterien und Viren: Irgendwie ähnlich, aber anders
Viren verfügen über keine Kohlenhydrate, sondern Lipide oder Proteine als Oberflächenmarker. Um das Immunsystem auf den Erreger vorzubereiten, muss das harmlose bzw. inaktive Virus oder Bestandteile eingeschleust werden. Das Immunsystem produziert gegen den Erreger Antikörper, die an den Proteinstellen (Antigene) andocken und damit ein Eindringen in die Körperzelle unmöglich machen. Da Viren meist über eine sehr spezielle Schwachstelle, wie etwa das Spike-Protein, verfügen, sind die Antikörper hoch spezialisiert. Verändert sich das Virus und damit das markante Oberflächenprotein, erkennt die eigene Immunabwehr den Erreger nicht, die Antikörper können sich nicht mehr an die Antigene binden und das Virus kann ungehindert den Organismus befallen.

Manche Viren sind einfach konstruiert und offenbaren ihre Schwachstelle. Andere Erreger wiederum verfügen über eine hochkomplexe, variable Struktur und entwickeln immer wieder Strategien, um das Immunsystem zu täuschen. In diesen Fällen stellt die Herstellung eines passenden Impfstoffes eine große Herausforderung dar.
Nicht jeder Impfstoff wirkt gleich stark
Auch Impfstoffe unterscheiden sich in ihrer Funktion und Wirkungsweise. Erst wenn das Vakzin eine ausreichende Immunantwort auslöst, ist der Impfling vor einer Infektion oder einem schweren Verlauf geschützt.
Lebendimpfstoffe bieten nach der Grundimmunisierung meist einen lebenslangen Schutz dank der Gedächtniszellen. Da die Immunabwehr gegen die abgeschwächten, aber vermehrungsfähigen Erregern stark aktiv werden muss, sind solche Impfstoffe nicht besonders für Menschen mit einem schwachen Immunsystem geeignet.
Totimpfstoffe lösen zwar die Produktion von Antikörpern aus, haben aber keine so starke Immunantwort wie Lebendimpfstoffe . Das Immunsystem muss durch Auffrischungsimpfungen immer wieder daran erinnert werden.
Auch bei genbasierten Impfstoffen geht mit der Zeit der Bauplan des Erregerproteins verloren und damit die Immunität. Von Vorteil ist das schnelle und sichere Herstellungsverfahren, mit dem man zeitnah auf Veränderungen reagieren kann.
Ausschlaggebend für alle Impfstoffe ist, wie hoch die Immunantwort ausfällt und ob ausreichend Antikörper hergestellt werden, damit sich das Immunsystem bei einer echten Infektion adäquat zur Wehr setzen kann. Es wird stetig an den zahlreichen Impfstoffen geforscht, um eine optimale, langfristige Wirkungsweise mit geringen Nebenwirkungen zu erzielen.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie hier:
Bundesministerium für Bildung und Forschung: Das sollten Sie über Impfstoffe wissen
Bundesverband für Gesundheitsinformation und Verbraucherschutz – Info Gesundheit e.V.
Leopoldina: Verschiedene Erreger und die Wirkung von Impfstoffen