Derzeit ist die Booster-Impfung das dominierende Thema im Kampf gegen die Pandemie. Dabei sollte man nicht außer Acht lassen, dass nicht nur die Corona-Impfung einer Auffrischung bedarf. Denn auch andere, grundlegende Impfstoffe verlieren über die Jahre an Wirksamkeit und der Schutz lässt schleichend und unbemerkt nach.
Im Kindesalter lernt das Immunsystem durch Impfungen und Erkrankungen, sich gegen bestimmte Erreger zur Wehr zu setzen. Während der Körper gegen manche Krankheiten wie Windpocken dauerhaft immun ist, lässt die Immunität etwa gegen Keuchhusten und Tetanus nach. Wir erklären Ihnen, weshalb Auffrischungsimpfungen nötig sind und gegen welche Erreger Sie Ihren Impfschutz immer wieder erneuern müssen.
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Gedächtniszellen müssen erinnert werden
Bei einer Impfung regt der Impfstoff die eigene Immunabwehr an, spezifische Antikörper gegen einen Erreger zu produzieren. Parallel zu den Antikörpern bilden sich auch Gedächtniszellen aus, die sich markante Punkte des Erregers merken.
Während im Laufe der Zeit die Antikörper allmählich absterben und der Antikörper-Spiegel im Blut sinkt, bleiben die Gedächtniszellen erhalten und werden reaktiviert, sobald das Immunsystem erneut mit dem Erreger konfrontiert wird. Wenn der eindringende Keim klar identifiziert ist, lösen die Gedächtniszellen eine Immunreaktion aus. Der Organismus produziert wieder die passenden Antikörper, die Viren oder Bakterien abwehren. Durch eine Auffrischungsimpfung werden die Gedächtniszellen an diesen Prozess erinnert und erhöhen so wieder den Antikörper-Spiegel für einen umfangreichen Schutz.
Gedächtniszellen schützen nicht vor einer Infektion
Man muss klar zwischen Antikörpern und Gedächtniszellen unterscheiden: Antikörper im Blut können einen eindringenden Erreger neutralisieren und unschädlich machen. Gedächtniszellen verfügen lediglich über die Informationen zu einem Erreger und stoßen eine Immunreaktion an, sobald ein Virus in die eigenen Körperzellen eindringt. Der Körper beginnt im Akutfall mit der Produktion von Antikörpern, wehrt sich gegen die Infektion und eliminiert befallene Zellen.
Antikörper bekämpfen das Virus aktiv, während Gedächtniszellen die Produktion von Antikörpern einleiten, wenn ein schädlicher Erreger bereits eingedrungen ist.
Geringer Schutz gegen Mutationen
Da die Gedächtniszellen nur spezifische Informationen über den Erreger gespeichert haben, kann es bei Mutationen dazu kommen, dass die Gedächtniszellen den Erreger nicht erkennen und demnach keine Immunreaktion auslösen.
Durch Impfungen und Infektionsverläufe lernt das Immunsystem den Erreger immer besser kennen und kann ihn mit der Zeit an zahlreichen Merkmalen erkennen. Dies gilt auch für eng verwandte Viren: Liegt bereits ein umfangreicher Katalog mit diversen Merkmalen einer Virusart vor, nutzt die Immunabwehr gegebenenfalls dieses Wissen, erkennt Überschneidungen zu den vorherigen Erregern und setzt dem Virus eine Teilreaktion entgegen.
Je stärker jedoch ein Virus mutiert, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die eigene Immunabwehr ihn wiedererkennt und bekämpfen kann. In diesem Fall ist das Immunsystem völlig unvorbereitet und es kann zu teils schweren Krankheitsverläufen kommen.

Jährliche Grundimmunisierung gegen Influenza
Bei der Grippe etwa handelt es sich um extrem wandlungsfähige Viren, die sich in kurzer Zeit stark verändern und immer wieder neue Mutationen hervorbringen. Dadurch entsteht eine völlig neue Erregerstruktur . Zur Vorbeugung einer Influenza wird keine Auffrischungsimpfung verabreicht. Für jede Saison muss ein neuer Impfstoff hergestellt werden, der die neuen Oberflächenmerkmale auf der Virushülle erkennt und so vor einer Infektion oder einem schweren Verlauf schützen kann.
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Immunreaktion kann variieren
Wie stark die Immunantwort bei einem Menschen ausfällt, ist von mehreren Faktoren abhängig:
- Viruskonzentration
- Genetische Veranlagung
- Immunität gegen artverwandte Viren
- Vorerkrankungen
- Alter des Impflings
Nicht jeder Mensch bildet dieselbe Immunität aus. Wie hoch der Antikörper-Spiegel nach einer Impfung ausfällt, hängt u.a. von der Leistungsfähigkeit des eigenen Immunsystems ab. Ältere Menschen und Personen mit Vorerkrankungen haben eine schwächere Immunantwort als gesunde Menschen, da sie weniger Antikörper produzieren.
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Lebenslanger Impfschutz nach Grundimmunisierung
Während manche Impfstoffe ein Leben lang halten, müssen andere nach einer gewissen Zeit aufgefrischt werden. Insbesondere Lebendimpfstoffe lösen eine starke Immunantwort aus und sorgen für eine dauerhafte Immunisierung. Voraussetzung ist die vollständige Grundimmunisierung, für die mehrere Impfdosen notwendig sind.
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Wer die abschließende Impfung gegen eine Krankheit verschwitzt hat, kann die Grundimmunisierung mit einer Nachholimpfung vervollständigen.
Die Wirksamkeit von Tot- und genbasierten Impfstoffen wiederum lässt meist nach einiger Zeit nach. In diesen Fällen ist der Impfling vor einer Erkrankung nicht mehr vollständig geschützt. Das Immunsystem muss durch eine Auffrischungsimpfung angestoßen werden, sodass sich die Zahl der Antikörper wieder erhöht.
Erreger | Impfung und Schutzdauer | Impfstoffart |
---|---|---|
Masern, Mumps, Röteln (MMR) | Grundimmunisierung, lebenslang | Lebendimpfstoff |
Windpocken | Grundimmunisierung, lebenslang | Lebendimpfstoff |
Hepatitis B | Grundimmunisierung, lebenslang | Totimpfstoff |
Kinderlähmung (Polio) | Grundimmunisierung + 1 Auffrischung | Totimpfstoff |
Keuchhusten (Pertussis) | Grundimmunisierung + 1 Auffrischung | Totimpfstoff |
Diphtherie | Auffrischung alle 10 Jahre | Totimpfstoff |
Tetanus | Auffrischung alle 10 Jahre | Totimpfstoff |
FSME (Zecken, in Risikogebieten) | Auffrischung alle 3–5 Jahre | Totimpfstoff |
Gürtelrose | ab 60 Jahren empfohlen Auffrischung nach ca. 4 Jahren* | Totimpfstoff |
Pneumokokken (Lungenentzündungen) | ab 60 Jahren empfohlen Auffrischung nach ca. 6 Jahren | Totimpfstoff |
Eine nachlassende Immunität bedeutet nicht, dass die Zahl der Antikörper von heute auf morgen gegen Null geht. Der Antikörper-Spiegel sinkt stetig und verringert die Schutzmechanismen gegen den Erreger. Gerade während der Corona-Pandemie mit einem hochansteckenden Virus sei es wichtig, den Schutzwall des Immunsystems so hoch wie möglich zu halten. Denn während eine Impfung zuverlässig vor schweren Verläufen schützt, steigt das Risiko, sich mit dem Virus anzustecken, bereits nach kurzer Zeit wieder an.
Kein Zusammenhang zwischen Schutzdauer und Qualität
In den sozialen Netzwerken kursieren Falschaussagen, die behaupten, dass die kurze Wirkungszeit der Corona-Schutzimpfungen auf eine schlechte Qualität des Impfstoffes zurückzuführen sei. Diese Beiträge lassen außer Acht, dass die Immunantwort jedes Menschen individuell ausfällt, eine Impfung mit spezifischen Merkmalen nicht oder nur bedingt gegen Mutationen schützt und die Wirksamkeit eines Impfstoffes von der Beschaffenheit des Erregers abhängt. Je stärker sich der Erreger verändert, desto schwieriger ist er für die Immunabwehr erkennbar.
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Weitere Informationen finden Sie hier:
Bundesgesundheitsministerium: Schutzimpfungen
Bundesregierung: Alle wichtigen Informationen zur Auffrischungsimpfung
Bundesregierung: Faktencheck zur Corona-Schutzimpfung
BzGA / Impfen-info: Impfempfehlungen für Erwachsene
Robert-Koch-Institut: Impfungen A-Z