Alles dreht sich, es rauscht im Ohr und fühlt sich dumpf an – so sieht ein typischer Anfall von Morbus Menière aus. Die Erkrankung des Innenohrs setzt die Betroffenen kurzzeitig völlig außer Gefecht. Warum das so ist und was Sie dagegen tun können, erfahren Sie hier.
Was ist Morbus Menière?
Morbus Menière ist eine meist einseitige Erkrankung des Innenohrs, die zwar eher selten vorkommt, jedoch starke Beschwerden verursachen kann. Oft wird sie auch als Menière-Krankheit oder Menièr‘sche Erkrankung bezeichnet. Dabei verändert sich der Flüssigkeitshaushalt im Innenohr, entweder durch eine Überproduktion oder durch einen reduzierten Abtransport der sogenannten Endolymphe.
Benannt ist die Krankheit nach dem französische Arzt Prosper Menière, der 1861 erstmals eine Definition für Morbus Menière festlegte. Besonders häufig tritt Morbus Menière bei Menschen mittleren Alter zwischen 30 und 60 Jahren auf, bei Männern etwas öfter als bei Frauen. In Europa leiden etwa eine halbe Million Menschen unter den Attacken.
Was sind die Ursachen von Morbus Menière?
Die Ursache für eine Morbus-Menière-Attacke ist vermutlich eine Druckerhöhung der Flüssigkeit in der Hörschnecke, medizinisch als endolymphatischer Hydrops bezeichnet. Das Innenohr besteht aus dem Gleichgewichtsorgan, der Gehörschnecke und vielen kleinen Kanälen, durch die die Flüssigkeiten Endolymphe und Perilymphe fließen. Das Gleichgewicht der beiden Flüssigkeiten sorgt für die richtige Funktion des Innenohrs. Erhöht sich jedoch der Anteil der Endolymphe, treten Schwindelanfälle und Probleme mit dem Gehör auf.
Warum es dazu kommt, ist bisher nicht geklärt. Es gibt jedoch verschiedene Faktoren, die diese Schwindel-Anfälle begünstigen:
- Stress: Übermäßiger Stress scheint ein häufiger Auslöser für Morbus Menière zu sein.
- genetische Veranlagung: Morbus Menière könnte außerdem erblich sein. Etwa bei 20 Prozent der Fälle leiden mehrere Familienmitglieder an der Innenohr-Erkrankung.
- Schäden am Ohr: Auch eine Verletzung des Innenohrs kann Morbus Menière begünstigen.
- Virus-Infektion: Ein Virus könnte einen Morbus-Menière-Anfall auslösen. Welcher das ist und warum, ist bisher nicht bekannt.
- schlechte Durchblutung: Durchblutungsstörungen scheinen die Krankheit zu fördern.
- zu viel Lärm: Eine dauerhafte Lärmbelästigung könnten ebenfalls für den Ausbruch der Menière-Krankheit verantwortlich sein.
- Schäden der Halswirbelsäule: Eine weitere Möglichkeit ist eine Schädigung der HWS, die sich auf das Ohr auswirkt.
- Migräne: Nach einem Migräne-Anfall kann ebenfalls eine Morbus-Menière-Attacke auftreten.
Was sind die Symptome von Morbus Menière?
In der Regel beginnt ein Morbus-Menière-Anfall plötzlich oder mit nur einer kleinen Vorwarnung. Dabei sind die drei häufigsten Symptome:
- Drehschwindel, meist begleitet von Übelkeit und Erbrechen. Den Betroffenen wird plötzlich schwindelig, alles dreht sich, sie beginnen zu wanken und drohen umzukippen. Durch das Drehgefühl müssen sich viele übergeben.
- Hörverlust, meist auf einem Ohr. Die Schwerhörigkeit betrifft vor allem tiefere Töne, sie werden nicht mehr deutlich wahrgenommen. In ganz seltenen Fällen kann sich das Hörvermögen jedoch auch verbessern.
- Ohrgeräusche (Tinnitus) auf der Seite des betroffenen Ohrs. Das kann ein dumpfes Rauschen oder Brummen sein, aber auch Töne oder ein anhaltendes Pfeifen.
Da die drei typischen Symptome gleichzeitig auftreten, werden sie in Fachkreisen als Symptom-Trias bezeichnet. Zusätzlich können bei Morbus Menière jedoch noch weitere Beschwerden auftreten:
- Druck auf dem Ohr
- Müdigkeit
- Kopfschmerzen
- unkontrollierte Bewegungen des Auges (Nystagmus)
- Schweißausbrüche
- Herzrasen
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Die Symptome kommen in Attacken und betreffen meist nur eine Seite, etwa 12 Prozent der Betroffenen leiden auf beiden Seiten unter den Beschwerden. Wie oft die Morbus-Menière-Anfälle auftreten, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Sie können innerhalb weniger Tage erneut beginnen, oder aber erst nach mehreren Monaten. Ebenso unterschiedlich ist die Dauer: Ein Anfall kann nach etwa 20 Minuten wieder vorbei sein, jedoch auch mehrere Stunden andauern.
Schwerhörigkeit und Tinnitus bleiben oft dauerhaft
Normalerweise bilden sich Schwindel und Schwerhörigkeit nach den Anfällen wieder zurück. Bei länger andauernder Krankheit kann es jedoch mit der Zeit zu einem fortschreitenden Hörverlust kommen. Symptome wie Tinnitus oder Schwerhörigkeit bleiben in manchen Fällen dauerhaft bestehen, während der Drehschwindel meist nur während der Anfälle auftritt.
Betroffene leiden oft mehr unter den Schwindel-Attacken als unter den Hörproblemen, da sie jederzeit und völlig unvorhergesehen auftreten können. Diese Unsicherheit schränkt die Lebensqualität stark ein, viele Morbus-Menière-Patienten fürchten einen erneuten Anfall und entwickeln Angstzustände.
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Wie erkennt der Arzt Morbus Menière?
Treten die drei Hauptsymptome Drehschwindel, Hörverlust und Tinnitus wiederholt gleichzeitig auf, liegt die Diagnose Morbus Menière nahe. Dennoch wird der Arzt auch die allgemeine Krankheitsgeschichte erfragen und die Ohren untersuchen.
Um den Verdacht zu bestätigen und andere Störungen und Erkrankungen der Hörorgane auszuschließen, kann der Hals-Nasen-Ohren-Arzt folgende Untersuchungen durchführen:
- Hörtest
- Magnetresonanztomographie (MRT)
- Untersuchung des Gleichgewichtsorgans
Außerdem wird das Trommelfell auf mögliche Risse geprüft. Auch der Weber-Test, bei dem eine Stimmgabel auf den Scheitel gesetzt wird, kann Aufschluss über die Erkrankung geben.
Morbus Menière nach Hörsturz
In vielen Fällen beginnt Morbus Menière mit einem Hörsturz. Hier muss meist abgewartet werden, ob es erneut zu einem Anfall mit Drehschwindel kommt. Erst beim wiederholten Auftreten kann die Diagnose eindeutig gestellt werden.
Da Morbus Menière anfallartig auftritt, erleichtert es die Diagnose, wenn die Betroffenen ein Tagebuch über die Attacken führen. Darin werden Häufigkeit, Dauer und Ausprägung der Symptome festgehalten. Entsprechend kann vom Arzt eine geeignete Therapie festgelegt werden.

Wie wird Morbus Menière behandelt?
Ohne eindeutige Ursache gibt es auch keine spezielle Behandlung gegen Morbus Menière. Der Arzt kann jedoch die unangenehmen Symptome durch Medikamente behandeln. Die Therapie von Morbus Menière stützt sich also einerseits darauf, bei akuten Anfälle die Beschwerden zu reduzieren, andererseits auf die Verhinderung weiterer Attacken.
Gegen Schwindel und Übelkeit verordnet der Arzt meist Betahistin, das sich vor allem zur Vorbeugung vor erneuten Anfällen bewährt hat. Zusätzlich kann die Morbus-Menière-Therapie mit durchblutungsfördernden Mitteln unterstützt werden. Während eines akuten Anfalls sollten sich die Betroffenen auf jeden Fall hinlegen, um durch den Schwindel nicht umzukippen.
Bei Fällen mit starkem Erbrechen wird Morbus Manière mit einer Infusionstherapie behandelt, um den Elektrolytverlust auszugleichen. Ebenso kann Kortison weiteren Morbus-Menière-Attacken vorbeugen. Dazu wird das Medikament ins Mittelohr gespritzt und wirkt im Innenohr gegen Entzündungen. Eine ähnliche Therapie hat bei Hörsturz bereits Erfolge gezeigt.
Operation bei Morbus Menière
Sollten sämtliche Maßnahmen keine Besserung bringen, kann Morbus Menière durch eine Operation am Innenohr gelindert werden. Durch spezielle Verfahren wird dabei das Gleichgewichtsorgan dauerhaft ausgeschaltet. Da ein solcher Eingriff nicht mehr rückgängig gemacht werden kann und zur kompletten Taubheit führt, sollten Arzt und Patient vor der OP ausführlich die Vor- und Nachteile abwägen.
Um die Schwindelattacken in den Griff zu kriegen, ist bei Morbus Menière ein Aufenthalt in einer Klinik mit speziellem Schwindelzentrum möglich. Gegen den Drehschwindel haben sich auch Mittel aus der Homöopathie bewährt.
Selbsthilfe bei Morbus Menière
Allgemein ist eine gesunde Lebensweise die Basis einer erfolgreichen Therapie. Eine ausgewogene, salzarme Ernährung, regelmäßiger Sport, Bewegung an der frischen Luft, ausreichend erholsamer Schlaf und ein Verzicht auf Alkohol, Kaffee und Rauchen können dazu beitragen, dass die Anfälle seltener und weniger stark auftreten.
Um für den unvorhergesehenen Schwindelanfall gerüstet zu sein, sollten Betroffene regelmäßig ihr Gleichgewicht trainieren. Hierfür eignen sich Übungen wie auf einem Bein stehen oder Yoga.
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Bei langjähriger Erkrankung kommt es allgemein zu einer dauerhaften Schwerhörigkeit durch Morbus Menière. Hier kann ein Hörgerät den Verlust der Hörfähigkeit ausgleichen. Auch eine psychologische Betreuung hilft vielen, mit der Menière-Krankheit besser umzugehen. Für den Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen gibt es verschiedene Morbus-Menière-Selbsthilfe-Gruppen.
Wie kann ich Morbus Menière vorbeugen?
Wer noch nie Morbus Menière hatte, kann der Krankheit nicht vorbeugen. Betroffene haben jedoch die Möglichkeit, einen weiteren Anfall durch Medikamente zu verhindern. Dazu ist die Untersuchung beim Arzt notwendig, denn er wird die entsprechende Therapie anordnen.

Generell sollten Betroffene ihren Lebensstil gesünder gestalten und auf Alkohol, Kaffee und Nikotin verzichten. Da Stress als möglicher Auslöser gilt, eignen sich Entspannungstechniken wie Meditation oder Yoga, um allgemein belastbarer zu werden.
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Wie sind die Heilungschancen bei Morbus Menière?
Für Morbus Menière gibt es leider keine Heilung. Bei vielen Betroffenen nimmt der Schwindel während der Morbus-Menière-Anfälle im Lauf der Zeit ab, wodurch die Attacken etwas erträglicher werden. Allerdings kann es mit fortschreitender Erkrankung zu einer bleibenden Schwerhörigkeit oder dauerhaftem Tinnitus kommen. Nach 20 Jahren ist das etwa bei der Hälfte aller Betroffenen der Fall. Durch die Morbus-Menière-Therapie lernen jedoch die meisten Patienten, im Alltag gut mit der Erkrankung umzugehen.
In einigen Berufen sollten Morbus-Menière-Patienten jedoch nicht mehr arbeiten, beispielsweise als Kraftfahrer oder Pilot. Das Risiko, während eines Fluges oder beim Autofahren einen Anfall zu erleiden, ist zu groß. Ob Morbus Menière als Behinderung eingestuft wird, richtet sich nach der Ausprägung der Anfälle und dem Grad des Hörverlustes.