Wer abnehmen oder sein Gewicht halten möchte, stößt überall auf Verlockungen, die sein Ziel gefährden: Leckeres Essen ist schließlich fast immer und allerorts verfügbar. Appetitzügler machen uns weniger anfällig für die Versuchungen, doch Diätwunder sind sie nicht. Im Gegenteil: Sie bergen große Risiken.
Die letzte Mahlzeit ist noch gar nicht lange her. Doch kaum duftet es nach frischem Kuchen oder Pizza, befiehlt uns unser „Oberstübchen“: Greif zu! Ja, richtig gelesen: Nicht unser Magen steuert unseren Appetit, sondern unsere Schaltzentrale im Kopf gibt vor, ob wir Heißhunger haben oder nicht. Appetitzügler setzen darum auch genau dort an, wo Appetit entsteht: im Gehirn.
Hunger oder Appetit?
„Wir unterscheiden zwischen psychischem Hunger – dem Appetit – und dem körperlichen, physischen Hunger“, erklärt Sarah Zehnder*, staatlich geprüfte Diätassistentin aus Nürnberg. „Beides läuft im Gehirn ab, aber in unterschiedlichen Regionen.“
Appetit …
- ist die Lust auf ganz bestimmte Lebensmittel.
- entsteht im limbischen System, das eigentlich für Gefühle zuständig ist.
- ist durch Sinneseindrücke beeinflussbar, zum Beispiel durch den Duft frischer Pommes.
Hunger …
- ist ein angeborener Reflex, der signalisiert, dass der Körper Energie braucht.
- ist es egal, ob die Mahlzeit schmeckt oder nicht. Hauptsache, sie macht satt.
- entsteht im sogenannten Hungerzentrum im Kopf.
- hört auf, wenn der Magen zu einem gewissen Grad gedehnt ist.
Appetit ist also vor allem ein Gefühl, das stark durch außen beeinflussbar ist, und dafür sorgt, dass wir das Nahrungsangebot ausschöpfen wollen. Das Hungergefühl bewahrt uns davor, die Nahrungsaufnahme zu vergessen und so zu riskieren, dass der Körper zu wenig Energie zur Aufrechterhaltung seiner Funktionen hat.
So wirken Appetitzügler
Der Begriff „Appetitzügler“ ist eigentlich falsch, denn sie beeinflussen nicht den Appetit, sondern dämpfen tatsächlich den Hunger, indem sie das Hungerzentrum manipulieren. „Es wird praktisch lahmgelegt,“ erklärt Sarah Zehnder.
Ein Appetitzügler ist also ein Medikament, das seine Wirkung im Kopf entfaltet. Es ähnelt Psychopharmaka und kommt einem erheblichen Eingriff in den Körper gleich. Deshalb sind Appetithemmer auch verschreibungspflichtig und dürfen nur unter ärztlicher Kontrolle eingenommen werden.
Die Kosten der Behandlung können sich auf 36 bis 100 Euro pro Monat belaufen (je nach Dosierung und Präparat), werden aber von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen.
Nicht ohne Nebenwirkungen
Einfach eine Pille schlucken und der Hunger ist weg? Für alle, die unter ihrem Übergewicht leiden und abnehmen möchten, klingt das wie ein Traum. Doch das Täuschungsmanöver im Hungerzentrum hat seinen Preis – in Form von zahlreichen unerwünschten Nebenwirkungen. Unruhe, Herzrhythmusstörungen, Schlafstörungen und depressive Verstimmungen zählen zu den häufigsten. In der Vergangenheit gab es sogar Todesfälle. So starben in Frankreich Patienten an Herzklappenstörungen, die durch einen Appetithemmer (der nie in Deutschland zugelassen wurde) ausgelöst worden waren.

Sinnvoll nur in Einzelfällen
Keine Frage, die Pillen funktionieren. Sie unterdrücken den Hunger, man isst weniger und nimmt zwangsläufig ab. Doch als langfristige Hilfe zum Abnehmen kommen sie nicht infrage. Sie können lediglich der Startschuss für eine Ernährungsumstellung sein, sagt Sarah Zehnder. Mehr aber nicht.
Appetitzügler sollten mindestens vier und höchstens acht Wochen lang eingenommen werden. In dieser Zeit nimmt der Patient stark ab, der Körper kann die knappe Nährstoffversorgung aber noch kompensieren. Wer die Diätpillen länger einnimmt, muss mit Mangelernährung rechnen. Werden sie nicht von einer Ernährungsumstellung und viel Bewegung begleitet, sind Appetithemmer mit einer Crash-Diät vergleichbar und der Gewichtsverlust ist entsprechend nur von kurzer Dauer.
Wenn überhaupt, machen Appetitzügler nur Sinn, wenn Adipositas im medizinischen Sinne vorliegt (BMI größer als 30) und die Einnahme von der Beratung eines Diätassistenten oder Ökotrophologen begleitet wird. Der Patient muss lernen, sich fortan gesund zu ernähren. Sonst spart er zwar einige Wochen lang Kalorien ein, aber danach kehrt das Hungergefühl mitsamt dem alten Essverhalten zurück.
> Körpergewicht: Wann ist der BMI sinnvoll?
Appetitzügler aus der Drogerie
Es gibt Appetithemmer, die gar keine sind, darum erhält man sie auch ohne ärztliches Rezept zum Beispiel in der Drogerie. Diese Mittel wirken nur auf die einzelnen Nahrungsbestandteile im Magen-Darm-Trakt. Sie beeinflussen also weder Appetit noch Hunger, sondern sorgen zum Beispiel durch Enzyme dafür, dass das Fett in der Nahrung nicht ganz verdaut, sondern teilweise wieder ausgeschieden wird. Die Patienten nehmen kurzfristig ab, lernen aber wenig über ausgewogene Ernährung. Und: Die Mittel wirken abführend und können sogenannten Fettstuhl oder Durchfall auslösen.
Nicht lösliche Ballaststoffe aus Pflanzenfasern, die zum Beispiel aus der Konjakwurzel stammen, sind ein anderes Wirkprinzip von Appetitzüglern aus der Drogerie. Die Fasern quellen im Bauch auf, was dafür sorgen soll, dass man sich schneller und länger satt fühlt. Wichtig: Dazu unbedingt extra viel Wasser trinken, sonst kommt es zu Blähungen und Verstopfung.
Natürliche Appetitzügler
Wer seinen Heißhunger besser in den Griff bekommen möchte, sollte einmal natürliche Appetithemmer ausprobieren:
- Pfefferminze: Gegen Schmacht auf Süßes hilft das ätherische Öl der Minze – egal, ob als Bonbon, Kaugummi oder Tee.
- Bitterstoffe: Der klassische Espresso nach der Mahlzeit oder Zartbitterschokolade dämpfen die Lust auf mehr durch bitteren Geschmack. „Ein kleines Stück dunkle Schokolade auf die Zunge legen und zergehen lassen“, empfiehlt Sarah Zehnder.
- Ingwer: Sein komplexes Aroma stimuliert viele Geschmacksknospen und hemmt dadurch den Hunger. Gleichzeitig soll durch seine Schärfe auch die Lust auf Herzhaftes ausbleiben.
- Scharfe Gerichte: Manche Patienten von Sarah Zehnder sagen: „Je schärfer ich esse, desto weniger esse ich.“
In Haferflocken, Chia-Samen oder Vollkornbrötchen stecken viele Ballaststoffe. Sie quellen im Darm auf und lösen dadurch ein Gefühl der Sättigung aus. Dasselbe passiert, wenn der Magen durch seinen Inhalt zu einem gewissen Maß gedehnt wird. Unsere Empfehlung: Ein Glas Wasser vor der Mahlzeit trinken – das füllt den Bauch und der Hunger ist schneller weg.
> Leinsamen, Chiasamen und Co.
Unsere Expertin: Sarah Zehnder ist staatlich geprüfte Diätassistentin mit Praxis in Nürnberg. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind Adipositastherapie und Ernährungsberatung. Mehr über Sarah Zehnders Qualifikation und Leistungsangebot erfahren Sie hier.