Im Kampf gegen Übergewicht will die britische Regierung in die Tasche von Limo-Liebhabern greifen. Sie plant eine Steuer auf zuckerhaltige Softdrinks, um deren Konsum zu senken. Ist das gesundheitspolitische Modell nützlich und auch für Deutschland denkbar? Wir geben einen Überblick.
Das Problem: Süße Softdrinks liefern eine Menge unnötiger Kalorien, die nicht sättigen. Sie machen dick und schädigen auf Dauer die Gesundheit. Wer viel von den zuckerreichen Limonaden trinkt, riskiert Bluthochdruck, Diabetes und Herzkrankheiten. Besonders gefährdet sind Kinder und Jugendliche, da Eistee, Cola und Co. bei ihnen so beliebt sind.
Die Lösung: In Großbritannien versucht man nun, gesundheitspolitisch gegen die flüssigen Dickmacher vorzugehen. Der Preis der ungesunden Drinks soll umgerechnet um bis zu 30 Cent pro Liter steigen.
Je mehr Zucker, desto teurer
Betroffen von der neuen, zweistufigen Steuer sind Getränke ab fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter. Noch mehr Abgaben fallen auf Softdrinks an, die bei gleicher Menge über acht Gramm Zucker enthalten – wie Cola zum Beispiel. Die britische Regierung rechnet mit etwa 660 Millionen Euro Steuereinnahmen, die sie in die Förderung von Grundschulsport stecken möchte. 2018 soll die Zuckersteuer in Kraft treten.
Großbritanniens Finanzminister George Osborne stellte das Steuerkonzept im März vor. Er erklärte, dass er nicht seelenruhig dabei zusehen könne, wie Kinder immer dicker werden: „Ich will in ein paar Jahren nicht zurückschauen und sagen müssen, dass wir das gesundheitliche Problem zuckerhaltiger Getränke zwar erkannt, schwierige Entscheidungen aber gescheut haben.“
Hinter der angekündigten Zuckersteuer verbirgt sich auch die Erwartung, dass Getränkehersteller als Reaktion den Zuckergehalt ihrer Drinks langsam senken werden. Im Januar wurde eine Studie veröffentlicht, deren zufolge die Effekte von weniger Zucker in Getränken riesig wären. Britische Forscher errechneten, dass innerhalb von fünf Jahren 1,5 Millionen Fälle von Adipositas und Übergewicht in Großbritannien verhindert werden könnten, wenn die Zuckermenge in Limos um 40 Prozent gesenkt würde.
Und in Deutschland?
Seit Großbritanniens Finanzminister die Steuerpläne verkündet hat, läuft die Diskussion um die Besteuerung von Zucker auch hierzulande.
Während die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) eine Zuckersteuer klar befürwortet, hält die Getränkeindustrie dagegen: „Eine Softdrink-Steuer macht nicht schlank oder gesund, sondern ist Symbolpolitik“, kommentiert der Geschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke solche Pläne.
Auch Ernährungsminister Christian Schmidt (CSU) lehnt die Steuer ab. Menschen durch Preiserhöhung ein Verhalten aufzuzwängen, sei wenig sinnvoll. Stattdessen sollten sie von einem gesunden Lebensstil überzeugt werden, argumentiert ein Sprecher des Ministeriums. Eine entsprechende Aufklärung beginnt schon in der Schule. Kinder sollten Kompetenzen in Sachen Ernährung früh lernen, über gesunde Lebensmittel und die Produktion von Nahrungsmitteln Bescheid wissen. Auf lange Sicht fördert diese Bildungsstrategie ein selbstbestimmtes, ausgewogenes Essverhalten. Ein achtsamer Umgang mit Genussmitteln wie Zucker kann so wieder selbstverständlich werden.
Wenn, dann auch konsequent
Der große Kritikpunkt an der Zuckersteuer der Briten ist, dass sie ausschließlich auf Softdrinks greift. Fruchtsäfte und Milchgetränke sind von der Steuer ausgenommen, obwohl der Zuckergehalt in Joghurtdrinks, Trinkschokoladen, Säften und Smoothies ebenfalls sehr hoch ist. In einer Studie aus Liverpool untersuchten Wissenschaftler den Zuckergehalt von 200 verschiedenen Fruchtsaft-Getränken. Im Durchschnitt enthielten die Produkte pro 100 Milliliter sieben Gramm – die Zuckerkonzentration liegt damit genauso hoch wie bei den Softdrinks, die ab 2018 besteuert werden sollen.
Die Deutschen decken derzeit bis zu 25 Prozent ihres täglichen Energiebedarfs mit Zucker. Das ist über doppelt so viel, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Tageskonsum empfiehlt: Höchstens zehn Prozent der Kalorien sollten in Form von Zucker aufgenommen werden. Im Schnitt entspricht das nicht mehr als 50 Gramm täglich. Wer auf seine Gesundheit achtet, sollte sogar auf 25 Gramm (sechs Teelöffel) reduzieren. Zur Einordnung: In einem Smoothie (250 ml) aus dem Supermarkt-Kühlregal stecken allein schon 37 Gramm Zucker.
Die Bundesregierung will noch in diesem Jahr ein Konzept ausarbeiten, wie Fertigprodukte (und nicht nur Getränke) gesünder werden können. Das schließt deren Zuckergehalt, aber auch den Anteil von Salz und Fetten ein. Dabei will man sich an Empfehlungen der EU orientieren, nach denen der Zuckeranteil in jedem Lebensmittel in den nächsten fünf Jahren um mindestens zehn Prozent gesenkt werden soll.