Seit Mitte März bestimmt das Coronavirus Ihren Alltag und zwingt Sie zu massiven Einschnitten. Social Distancing bedeutet für psychisch Kranke besonderes Leid: Depressionen, Angsterkrankungen oder Zwangsstörungen drohen sich zu verschlechtern.
Die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie bedeuten Erfahrungen von Verlust und Verzicht. Sie fühlen sich verunsichert, fürchten, sich mit dem Virus zu infizieren, Sie machen sich Sorgen um Ihre Angehörigen, fühlen sich gestresst, weil Sie beispielsweise Homeoffice und gleichzeitig Homeschooling Ihrer Kinder stemmen müssen. Sie haben wirtschaftliche Ängste wegen Kurzarbeit oder eines möglicherweise drohenden Jobverlusts.
Kein Wunder, dass Schlafstörungen, Nervosität, Depressionen und Ängste bis hin zu Panikattacken signifikant zunehmen.
Social Distancing für psychisch Kranke
Die Nähe zu anderen weitestgehend zu meiden, stellt für uns Menschen als soziale Wesen eine besondere Härte dar. Besonders problematisch ist Social Distancing für psychisch Kranke. Vor allem, wenn sie allein leben, drohen sie zu vereinsamen ohne das gewohnte soziale Netz aus Kollegen, Freunden und Bekannten. Zu den krankheitsbedingten Ängsten und Sorgen kommen soziale und wirtschaftliche.
Die Situation erschwert, dass psychologische Hilfsangebote wegbrechen, Therapiestunden ausfallen, Selbsthilfegruppen sich nicht treffen können. Social Distancing für psychisch Kranke bedeutet, dass sich ihre therapeutische Betreuung massiv verschlechtert.
Experten warnen vor kollektivem Trauma
Psychologen und Psychiater weisen seit Beginn der Krise auf die seelischen Folgen für die gesamte Gesellschaft hin. Sie warnen davor, dass wir auf ein kollektives Trauma zusteuern. Viele der Folgen werden sich erst mittel- oder langfristig als psychische Probleme wie Angststörungen, Depressionen oder Posttraumatische Belastungsstörung manifestieren. Nicht zuletzt wird die Zahl der Suizide und Suizidversuche steigen, befürchten Experten.
Ausgangsbeschränkungen belasten mentale Gesundheit
Das Meinungsforschungsinstitut Ifop befragte im Auftrag französischer Forscher 1000 Menschen, wie sich Ausgangsbeschränkungen in der Coronakrise auf ihre psychische Gesundheit auswirken. „37 Prozent der Befragten zeigten Anzeichen psychischer Nöte“, erklärten die Forscher.
Der Vergleich mit einer Untersuchung von vor drei Jahren lasse „auf eine Verschlechterung der mentalen Gesundheit während der Ausgangsbeschränkungen schließen“, heißt es weiter. Sollte der Lockdown noch mehrere Wochen anhalten, sei mit „schweren psychischen Erkrankungen“ zu rechnen, warnen sie.
Hilfe für die Seele in der Isolation
Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe nennt Tipps, wie Ängste und Einschränkungen durch die Coronapandemie, darunter Social Distancing für psychisch Kranke, erträglicher werden können:
- Struktur: Die Stiftung rät, Ihren Tag zu planen. Setzen Sie Termine, wann Sie morgens aufstehen, wann Sie mit der Arbeit beginnen, wann Sie zwischendurch pausieren, wann Sie essen, aber auch wann Sie lesen, einen Film sehen, Entspannungsübungen durchführen.
- Bewegung: Gehen Sie zwischendurch joggen, drehen Sie eine Runde mit dem Rad, üben Sie Yoga.
- Kontakte: Gerade, wenn Sie im Homeoffice oder gar in Quarantäne sind, ist es wichtig mit anderen Menschen in Verbindung zu bleiben. Wenn Sie real niemanden treffen können, dann verabreden Sie sich zu Telefonterminen, zum Skypen mit Freunden oder Familie. Lernen Sie neue Menschen in Chats und Onlineforen kennen.
- Schlafrhythmus: Auch wenn Sie sich manchmal so fühlen, als wollten Sie sich nur noch die Decke über den Kopf ziehen: Flüchten Sie sich nicht in den Schlaf und legen Sie sich auch nicht tagsüber hin. Beides könnte das Gefühl von Erschöpfung und Machtlosigkeit noch verstärken.
- Therapie: Auch während der Kontaktsperre können Sie Ihren Therapeuten besuchen, denn die Psychotherapie ist eine „notwendige medizinische Leistung“. Falls Sie in Quarantäne sind, betreut Sie Ihr Therapeut möglicherweise per Telefon oder in einer Videosprechstunde.
- Seelische Unterstützung: Möglicherweise sind Sie gerade gar nicht in Therapie. Dann können Sie andere Hilfsangebote nutzen: Sprechen Sie mit anderen über Ihre Sorgen und Ängste, z. B. mit dem Corona-Telefon des Bundesverbandes Deutscher Psychologen unter 0800/777 22 44 oder mit der Telefonseelsorge unter 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222. Hausärzte, Fachärzte und psychiatrische Kliniken sind nach wie vor geöffnet. Scheuen Sie sich nicht in Krisen, nach Hilfe zu fragen.
- Unterstützung online: Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe bietet außerdem das kostenlose Onlineprogramm „iFightDepression“. Es beruht auf den Prinzipien der Kognitiven Verhaltenstherapie, die sich in der Forschung als wirkungsvoll bei Depression erwiesen hat. Studien haben gezeigt, dass onlinebasierte Programme genauso gut wie eine persönliche Behandlung bei einem Arzt oder Therapeuten funktionieren können.