Bulimie-Kranke essen zwar und verfallen auch immer wieder in richtige Fressorgien, doch danach kommen das schlechte Gewissen und die Angst, an Gewicht zuzunehmen. Also machen sie den der Essanfall rückgängig, mit allen Mitteln. Ein Teufelskreis mit gefährlichen Auswirkungen.
Was ist Bulimie?
Bulimie ist laut Definition eine Essstörung, die im allgemeinen Sprachgebrauch auch als Ess-Brech-Sucht bekannt ist. Denn im Gegensatz zur Magersucht sind die Betroffenen von Essattacken geplagt, die sie im Anschluss durch gezieltes Erbrechen wieder rückgängig machen.
Bulimiker haben Angst, zuzunehmen und leiden oft unter einer verzerrten Körperwahrnehmung. Typisch für eine Bulimie ist, dass sich die Betroffenen viel mit Essen beschäftigen und oft richtige Heißhungerattacken auf spezielle Nahrungsmittel haben. Gleichzeitig befassen sie sich jedoch auch stark mit dem eigenen Gewicht und wollen auf keinen Fall zunehmen. Erkrankte halten es deshalb für eine logische Konsequenz, die Nahrung nach dem Essen wieder auszuscheiden. Meist erzwingen sie den Brechreiz oder helfen mit Abführmitteln nach.
Vor allem bei jungen Frauen
Der Fachbegriff für die Essstörung lautet Bulimia nervosa. Das griechische Wort „Bulimia“ lässt sich mit „Ochsenhunger“ übersetzen, „nervosa“ deutet darauf hin, dass bei der Krankheit eine Störung der Psyche vorliegt. Betroffen sind überwiegend Mädchen und junge Frauen zwischen 15 und 35 Jahren. Die Veränderung des Körpers, die Angst vor Übergewicht oder einem Jojo-Effekt nach einer Diät treibt viele in eine Essstörung.
Doch auch Jungs und junge Männer gehören zunehmend zu den Erkrankten. Frauen sind dennoch zehnmal häufiger betroffen. Da die Dunkelziffer bei Bulimie sehr hoch ist, leiden vermutlich weit mehr Menschen unter der Störung als bisher angenommen. Etwa zwei Prozent aller jungen Frauen entwickeln nachweislich eine Bulimie, der wahre Wert liegt jedoch weit höher.
Bulimie: bekannt durch Lady Diana
Lange Zeit war Bulimie der breiten Masse völlig unbekannt. Erst durch das Geständnis von Lady Diana, während ihrer Ehe mit Prinz Charles an der Essstörung gelitten zu haben, bekam die Krankheit ein Gesicht und dadurch weltweite Aufmerksamkeit.
Ungelöste Konflikte in der Familie können Essstörungen begünstigen. (c) JackF / Fotolia
Was sind die Ursachen von Bulimie?
Eine Störung des Essverhaltens tritt in der Regel durch psychische Probleme auf. Ein Grund können Erlebnisse in der Kindheit sein, besondere Lebensumstände, eine ungefestigte psychische Konstitution oder andere Einflüsse, die oft nicht gleich zu erkennen sind.
Es gibt viele verschiedene Auslöser für die Entstehung einer Bulimie, beispielsweise
- Stress
- Einsamkeit
- Liebeskummer
- Mobbing
- Tod eines Angehörigen
- traumatische Erlebnisse
- Missbrauch
- Depressionen
- Leistungsdruck
- ungelöste Konflikte
- Trennung der Eltern
- nach einer Schwangerschaft
Oft entwickelt sich eine Bulimie auch nach einer Anorexie (Magersucht). Ebenfalls zur Risikogruppe zählen Menschen, die durch einen geringen Energieverbrauch oder Stoffwechselprobleme zu Übergewicht neigen, obwohl sie sich normal ernähren, beispielsweise bei einer Erkrankung der Schilddrüse.
Warum es bei manchen Menschen zu einer Störung der Psyche und der Selbstwahrnehmung kommt und bei anderen nicht, kann wiederum weitere Ursachen haben:
- erbliche Veranlagung
- familiäre Situation
- soziales Umfeld
Seit Jahren werden Werbung, Modebranche und Medien dafür verantwortlich gemacht, dass Heranwachsende und junge Erwachsene ein völlig verzerrtes Bild von der Realität und einem normalen Körper bekommen. Gerade während der Pubertät verändert sich der Körper und bekommt Rundungen, die dem Schlankheitsideal der westlichen Gesellschaft nicht entsprechen. Eine Diät ist für viele Frauen der Einstieg in eine Essstörung. Angst vor dem Jojo-Effekt und die Angst vor der Zunahme der mühsam heruntergehungerten Kilos legt für die Betroffenen den Schalter um, und eine Ess-Brech-Sucht kann die Folge sein.
Selten ist nur eine Ursache alleine der Auslöser einer Bulimie. In den meisten Fällen spielen verschiedene Faktoren gemeinsam eine Rolle. Doch fast alle Bulimiker leiden unter einem zu geringen Selbstwertgefühl und sie versuchen, sich selbst durch eine schlanke Figur aufzuwerten.
Was sind die Symptome?
Die Anzeichen für Bulimie können körperlich sein, aber auch das Verhalten betreffen. Denn viele Bulimie-Erkrankte sehen äußerlich blendend und normalgewichtig aus, leiden aber trotzdem schon seit Jahren unter der Ess-Brech-Sucht. Andere hingegen wirken blass und ungesund, vertuschen die Krankheit jedoch geschickt durch ihr Verhalten. Oft ist deshalb das engere Umfeld gefordert, um die ersten Symptome richtig zu deuten.
- äußere Merkmale der Bulimie
- Gewichtsschwankungen: Bulimiker haben meist ein völlig normales Körpergewicht. Dennoch kann das Gewicht stark zwischen Unter- und Übergewicht schwanken.
- schlechte Zähne: Im fortgeschrittenen Stadium können die Zähne unter den ständigen Brechanfällen leiden.
- typische Bulimie-Anzeichen im Verhalten
- Essanfälle: Für Bulimiker ist Essen wie eine Sucht, deshalb kommt es oft zu richtigen Essattacken. Innerhalb kurzer Zeit werden meist große Mengen an ungesunden und kalorienreichen Lebensmitteln mit viel Zucker verzehrt, wie Schokolade, Chips, Kuchen etc. Diese Anfälle treten mindestens zweimal pro Woche auf.
- Körperschemastörung: Durch eine falsche Wahrnehmung des Körpers fühlen sich Betroffene zu dick, obwohl sie einen völlig normalen Körper haben. Diese fehlerhafte Selbsteinschätzung heißt Körperschemastörung.
- Gewichtskontrolle: Betroffene sind extrem auf ihr Gewicht fixiert. Um durch die Essattacken nicht zuzunehmen, greifen sie zu drastischen Maßnahmen wie Erbrechen oder Abführmittel.
- Sport: Um ihr Gewicht zu kontrollieren, treiben Bulimiker oft übertrieben viel Sport, meist mehrmals die Woche für mehrere Stunden.
- Isolation: Bulimiker ziehen sich oft aus dem sozialen Umfeld zurück und brechen den Kontakt zu Freunden ab.
Zwei Formen von Bulimie
Nicht jeder, der an Bulimie leidet, erbricht sich nach dem Essen. Deshalb wird die Krankheit in zwei Verhaltenstypen unterteilt:
- Purging-Typ: Bei diesem Bulimie-Typ erbrechen die Betroffenen nach dem Essen oder nehmen Abführmittel oder harntreibende Medikamente ein.
- Non-purging-Typ: Eher selten tritt dieser Bulimie-Typ auf, bei dem die Betroffenen zwischen den Essattacken übertrieben fasten oder besonders viel Sport treiben. Erbrechen und Abführmittel setzen sie nicht gegen die Gewichtszunahme ein.

Folgen und Gefahren von Bulimie
Oft vergehen Jahre, bis eine Bumilie überhaupt erkannt wird und bis sich der Erkrankte Hilfe holt. In der Zeit leidet der Körper bereits unter den ständigen Essattacken und dem anschließenden Erbrechen. Es kann zu schwerwiegenden Folgen für die Gesundheit kommen. Ähnlich wie bei einer Magersucht bekommt der Körper über einen längeren Zeitraum nicht die Nährstoffe, die er braucht. Mögliche Folgen können sein:
- Osteoporose durch Calcium-Mangel
- Herzrhythmusstörungen durch Kalium-Mangel
- Hormonschwankungen, Östrogenmangel
- unregelmäßige Regelblutung
- Unfruchtbarkeit
- Stoffwechselstörungen
- Probleme in der Schwangerschaft
Das häufige Erbrechen hat ebenfalls körperliche Folgen, die meist chronisch verlaufen:
- Schäden an den Zähnen durch die Magensäure
- Entzündungen der Speiseröhre und des Magens (Gastritis), Magenschmerzen
- geschwollene Speicheldrüsen
- Heiserkeit
- Schluckbeschwerden
- Funktionsstörung der Nieren
- Schwielen an den Fingern
- gestörter Säure-Basen-Haushalt
- Durchfall oder Verstopfung
> Boerhaave-Syndrom: Riss in der Speiseröhre
Wie erkennt der Arzt Bulimie?
Die ärztliche Untersuchung bei Bulimie verläuft über mehrere Stationen: Zum einen untersucht der Arzt den körperlichen Zustand des Betroffenen und stellt gesundheitliche Schäden oder Nährstoffmängel fest. Blutdruck, Puls und Nervenfunktion werden dabei untersucht. Durch einen Bluttest werden die Elektrolytwerte festgestellt, ebenfalls die Nierenwerte, die Aufschluss über die Nierenfunktion geben. Zusätzlich kann ein EKG (Elektrokardiogramm) gemacht werden, um mögliche Folgen am Herzen festzustellen.
Zum anderen untersucht der Arzt das Verhalten und die psychische Verfassung. Auch befragt er hierfür Freunde und Familie, die ihre Beobachtungen über das Verhalten des Betroffenen darzustellen. Daraus kann sich der Arzt oder Therapeut ein Gesamtbild über die Erkrankung machen. Anhand des Body-Mass-Index (BMI) wird die Bulimie deutlich von anderen Essstörungen wie Magersucht oder einer Binge-Eating-Störung abgegrenzt.
Bulimie-Test
Über einen Selbsttest können Betroffene übrigens herausfinden, ob sie unter der Essstörung leiden. Ist das Ergebnis positiv, ist ein Besuch beim Arzt oder Therapeuten ratsam, um die Krankheit möglichst schnell in den Griff zu kriegen.
Auslöser für Bulimie können auch psychische Ursprünge habe. (c) andreaobzerova/Fotolia
Wie wird Bulimie behandelt?
Durch eine Psychotherapie oder eine Verhaltenstherapie kann der Arzt nach dem Auslöser der Essstörung suchen. Dementsprechend verläuft die weitere Behandlung, die ambulant oder stationär erfolgen kann. Vielen Betroffenen hilft es bereits, mehrmals pro Woche die Unterstützung eines Therapeuten zu bekommen. Andere sind in einer Klinik besser aufgehoben, um sich dort der Bulimie zu stellen und normale Essgewohnheiten neu zu erlernen.
Allein der Austausch mit Gleichgesinnten wirkt für viele bereits heilsam. Oft reicht allein die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe aus, um das eigene Essverhalten zu überdenken und zu ändern.
Wann in die Klinik bei Bulimie?
Oft verdrängen die Betroffenen jedoch, dass sie ernstzunehmende Probleme haben. In extremen Fällen hilft deshalb nur eine Zwangseinweisung in eine Klinik, in der Bulimiker einen gesunden Umgang mit Essen lernen und gezielte Therapien erhalten. Dennoch ist es für alle Erkrankten wichtig, dass auch die Familie und das nähere Umfeld in die Therapie einbezogen werden.
Ziel der Bulimie-Therapie ist es, den Betroffenen einen normalen Umgang mit dem Essen zu vermitteln und die Sucht nach Fressanfällen und dem anschließenden Erbrechen zu stoppen. Essen ohne schlechtes Gewissen müssen die Betroffenen erst wieder lernen. Zusätzlich wird das Selbstwertgefühl gestärkt, damit die Betroffenen unabhängig von der Meinung anderer ihren Weg gehen können.
Langfristig zum Erfolg
Die Bulimie-Therapie sollte am besten lebenslang beibehalten werden, da viele Betroffene einen Rückfall in alte Verhaltensmuster erleiden. Durch eine Ernährungstherapie kann ein gesundes Essverhalten trainiert werden. Zusätzlich sollten jedoch auch die psychischen Probleme durch eine Psychotherapie behandelt werden. Nur durch eine Kombination aus beidem ist die Bulimie langfristig heilbar.
Zusätzlich ist die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln sinnvoll, um einen jahrelangen Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen auszugleichen. Ebenso können Medikamente mögliche Entzündungen der Speiseröhre oder des Magens heilen. Sind Depressionen die Ursache für die Bulimie, werden unter Umständen auch Antidepressiva verordnet.
Wie kann ich vorbeugen?
Einer Bulimie kann leider niemand vorbeugen. Deshalb ist es für Familienmitglieder und enge Bekannte umso wichtiger, bei einem möglichen Verdacht auf Bulimie hellhörig zu werden und nachzuforschen. Da Betroffene ihre Essstörung oft geheim halten oder abstreiten, sollten erste Anzeichen ernstgenommen werden. Denn je frühzeitiger eine Therapie beginnt, umso besser lassen sich gesundheitliche Schäden durch die Ess-Brech-Sucht verhindern.
Doch Vorsicht: Druck ist der falsche Weg. Ein einfühlsames und vorsichtiges Gespräch kann mehr bewirken als eine direkte Konfrontation.
Wie sind die Heilungschancen bei Bulimie?
Etwa 80 Prozent der Bulimie-Fälle können durch eine Therapie behandelt und geheilt werden. Dabei müssen die Betroffenen jedoch selbst ihr Problem erkennen und sich auf die Behandlung einlassen. Dann stehen die Heilungschancen sehr gut.
Wird eine Bulimie nicht erkannt und therapiert, sinkt die Lebenserwartung drastisch. Durch den dauerhaften Elektrolyt- und Vitaminmangel können Schäden an den Organen, wie Herz und Nieren, entstehen. Auch der Kreislauf leidet unter den Ess-Brech-Anfällen. In extremen Fällen kann die Erkrankung dann sogar zum Tod führen.