Jasmin Schott Carvalheiro ist Diplom-Psychologin, Gestalttherapeutin und Achtsamkeitstrainerin mit eigener Praxis in Berlin. Ihr Herzensthema ist Achtsamkeit. Dazu gibt sie viele Workshops und Seminare, wie zum Beispiel den Onlinekurs CONNECTme.
Frau Schott Carvalheiro, was bedeutet für Sie Achtsamkeit?
Ich unterscheide immer zwischen Achtsamkeit als Haltung und Achtsamkeit als Achtsamkeitsmeditation. Letzteres ist eine bestimmte Form der Meditation, bei der ich meine Aufmerksamkeit auf den jetzigen Moment lenke. Ich lasse mich ganz und gar auf das Hier und Jetzt ein. Unterstützend dazu lenke ich meine Aufmerksamkeit zum Beispiel auf meine Atmung oder stelle mir eine besondere Frage.
Und was bedeutet Achtsamkeit als Haltung?
Achtsamkeit als Haltung bedeutet, nicht mehr so getrieben durchs Leben zu gehen und im übertragenen Sinne die Segel bewusst zu setzen. Ich lasse mich vom Leben nicht mehr treiben, sondern frage mich immer wieder: Wo stehe ich jetzt gerade? Was möchte ich erreichen und wie komme ich dahin? Ich nehme eine aktive Rolle in meinem Leben ein.
Wie sind Sie selbst mit dem Thema Achtsamkeit in Berührung gekommen?
Ich hatte früher einen renommierten Job in der Wirtschaft, aber habe mich dabei irgendwie selbst verloren, trotz des Erfolgs. Daraufhin habe ich begonnen Yoga zu machen und über das Yoga kam ich schließlich zur Achtsamkeit. Anfangs fand ich es ganz schrecklich, diese Stille beim Meditieren auszuhalten! Es war sehr schwer für mich, aber ich bin drangeblieben und habe bald gemerkt, wie gut es mir tut. Dann kam ich zu dem Entschluss, wenn mir das so gut geholfen hat, kann ich das auch gut innerhalb meines „zweiten Lebens“ als Diplom-Psychologin und Therapeutin weitergeben.
Jeder kann den Kurs dann wahrnehmen, wenn er Lust und Zeit dazu hat. Außerdem nimmt das Angebot vielen Menschen die Hürde, in eine therapeutische Praxis oder einen Meditationsraum gehen zu müssen.“
Und so sind Sie auf die Idee gekommen, einen Online-Kurs zum Thema Achtsamkeit zu starten?
Zuerst einmal war ich dem Thema kritisch gegenübergestanden. Doch aus Neugierde habe ich selbst ein paar Online-Kurse ausprobiert und festgestellt, dass es durchaus gewisse Grundlagen, zum Beispiel eben beim Achtsamkeitstraining gibt, die auch allgemein vermittelt werden können. Der große Vorteil am Internet: Jeder kann den Kurs dann wahrnehmen, wenn er Lust und Zeit dazu hat. Außerdem nimmt das Angebot vielen Menschen die Hürde, in eine therapeutische Praxis oder einen Meditationsraum gehen zu müssen.

Was hat es mit dem Online-Kurs CONNECTme auf sich?
Ich habe den Kurs CONNECTme genannt, weil wir inzwischen ständig connected – also verbunden – sind. In der digitalen Welt von heute sind wir mit allem und jedem verbunden. Gleichzeitig erlebe ich in meinem Praxisalltag immer wieder Menschen, die sagen, sie fühlen sich vollkommen unverbunden – nicht verbunden mit sich selbst und auch nicht mit anderen.
„Anfangs fand ich es ganz schrecklich, diese Stille beim Meditieren auszuhalten!“
Was glauben Sie, woran das liegt?
Ich denke, es ist ein Phänomen unserer Zeit. Wir leben in einer sehr schnelllebigen Welt und werden vom Überangebot vollkommen erschlagen. Wir schaffen es gar nicht, all das Erlebte in uns aufzunehmen und zu verarbeiten. Wir verlernen immer mehr, uns für bestimmte Dinge oder Projekte wirklich Zeit zu nehmen. Und genau an diesem Punkt möchte ich mit meinem Kurs ansetzen: Ich möchte den Menschen ein Werkzeug an die Hand geben, mit dem sie wieder zu sich selbst finden können.
Was bietet CONNECTme denn konkret?
Mein Kurs ist in vier Themen untergliedert. Das Mantra der ersten Woche heißt „Ich vertraue“. Da schauen wir uns an: Was gibt uns Erdung, was gibt uns Stabilität? Es handelt sich also um ganz grundlegende Meditationen: Was bringt mich wieder in Kontakt mit mir selbst? Was lässt mich meinen Atem wieder spüren?
Das zweite Mantra heißt: „Ich brauche“. Dazu gibt es Meditationen, die den Körperkontakt fördern. Unser Körper gibt uns ja viele Informationen über uns selbst, meistens nehmen wir die jedoch erst wahr, wenn wir krank werden, doch so weit muss es nicht kommen.
„Wir leben in einer sehr schnelllebigen Welt und werden vom Überangebot vollkommen erschlagen.“
Das dritte Mantra lautet: „Ich will und ich werde“. Da geht es um die Frage, was kann ich tun, um für meine Bedürfnisse einzustehen und sie umzusetzen?
Nachdem wir in den ersten drei Phasen viel auf uns selbst geschaut haben, geht es im vierten Block schließlich darum, sich wieder verbundener mit anderen zu fühlen – auch wenn ich zu einigen Personen eine schwierige Beziehung habe. Die Frage lautet: „Wie stelle ich mir eine gute Verbundenheit mit anderen vor?“
Haben Sie einen Alltagstipp, wie Menschen achtsam miteinander leben können?
Da habe ich tatsächlich einen kleinen Tipp: Jeder kennt bestimmt diese eine Person im Leben, mit der man immer wieder aneinandergerät. Da hilft es, sich selbst einfach mal zu fragen: Was sind denn meine Werte im Leben? Das kann ich herausfinden, indem ich mich frage: Was ist mir ausgesprochen wichtig im Leben oder auch: wen bewundere ich? Und was hat diese Person Besonderes an sich? Schätze ich die Kreativität an einer Person? Oder ihre Freiheitsliebe?
So kann ich mir ableiten: Das sind also meine Grundwerte. Meistens gerate ich in Konflikt mit einer anderen Person, weil diese einen konträren Wert lebt. Es lohnt sich dann, sich bewusst zu machen, dass unterschiedliche Werte nicht besser oder schlechter sind, sondern einfach nur anders. Erkennt man das, kann man häufig viel gelassener damit umgehen, innerlich ein Stück zurücktreten und sich bewusst machen: Ah, da setzt sich jemand gerade für seine Werte ein und das macht er oder sie nicht, um mir eins auszuwischen, sondern weil demjenigen etwas anderes wichtig ist als mir.