Patienten mit einem Herzinfarkt müssen ihr Sexleben nicht einschränken. Denn Sex ist kein Auslöser für einen Herzinfarkt, ergab eine aktuelle Langzeitstudie.
Forscher räumten jetzt mit einem lange bestehenden Vorururteil auf: Sex kann keinen Herzinfarkt auslösen. Dies ergab eine Langzeitstudie der Universität Ulm. Ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Geschlechtsverkehr und dem Auftreten von Herzinfarkten oder anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen sei nicht nachweisbar, schreiben die Professoren Dietrich Rothenbacher und Wolfgang Koenig. Die Erkenntnisse könnten nun endgültig mögliche Sorgen und Ängste von herzkranken Patienten ausräumen. Ihr gewohntes Sexualleben müssten sie nicht einschränken, so die Forscher.
Sex erhöht Herzinfarkt-Risiko nicht
Über einen Zeitraum von zehn Jahren untersuchten die Wissenschaftler 536 Männer und Frauen im Alter von 30 bis 70 Jahren, nachdem diese einen Herzinfarkt erlitten hatten. Sie fragten die Teilnehmer danach, wie häufig diese in den zwölf Monaten vor dem Herzinfarkt Geschlechtsverkehr hatten. Mehr als die Hälfte gab an, mindestens einmal die Woche sexuell aktiv gewesen zu sein. Bei über 78 Prozent der Teilnehmer trat der Herzinfarkt mehr als 24 Stunden nach dem Sex auf. Innerhalb des kritischen Zeitfensters von zwei Stunden vor dem Infarkt hatten lediglich 0,7 Prozent der Studienteilnehmer Geschlechtsverkehr. Während der Langzeitstudie erlitten 100 Patienten ein zweites kardiovaskuläres Ereignis wie einen weiteren Herzinfarkt oder einen Schlaganfall. Wie häufig sie zuvor Sex hatten, spielte auch hier keine Rolle.
Nach Herzinfarkt – Sex so anstrengend wie Treppensteigen
Damit konnten die Forscher zeigen, dass Sex nur in den seltensten Fällen einen Herzinfarkt verursacht und auch kein Risiko für einen Zweitinfarkt darstellt. „Die Daten unserer Langzeitstudie zeigen, dass sexuelle Aktivität kein relevanter Auslöser für einen Herzinfarkt ist und bei Patienten mit stabiler Herzerkrankung auch langfristig keine negativen Auswirkungen hat“, sagt Dietrich Rothenbacher.
Geschlechtsverkehr oder Selbstbefriedigung seien von der Intensität vergleichbar mit moderaten physischen Anstrengungen wie Treppensteigen oder zügigem Gehen. Damit schließt die Studie eine wichtige Informationslücke. Bislang gab es nur wenige Untersuchungen, auf die sich Ärzte beziehen konnten, wenn ihre Patienten die Sorge um Sex als Herzinfarkt-Auslöser äußerten. „Weniger als die Hälfte der Männer und weniger als ein Drittel der Frauen, die einen Herzinfarkt erlitten haben, erhalten ausreichende Informationen darüber, ob sie weiterhin sexuell aktiv sein können. Es ist wichtig, dass den Patienten versichert werden kann, dass sie sich nicht sorgen oder ihr gewohntes Sexualleben einschränken müssen“, erklärt Rothenbacher, der Erstautor der Studie.
Vorsicht bei Herzinfarkt-Medikamenten!
Auch wenn sexuelle Aktivität für sich genommen kein potenzieller Auslöser für einen Herzinfarkt ist, so tragen andere Faktoren wie Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel oder Bluthochdruck zu einem erhöhten Herzinfarkt-Risiko bei. Patienten sollten außerdem wissen, dass Herzmedikamente wie Betablocker und Diuretika als Nebenwirkung Erektionsstörungen hervorrufen können. Nehmen Betroffene wegen ihrer Herzbeschwerden zusätzlich Nitrate ein und möchten dann mit der Hilfe von Potenzmitteln den Erektionsstörungen entgegenwirken, kann dies einen plötzlichen Blutdruckabfall verursachen, der möglicherweise bis zur Bewusstlosigkeit führt.
Sex ist wichtig – auch nach Herzinfarkt
Sexuelle Aktivität ist für viele Menschen ein wichtiger Bestandteil einer hohen Lebensqualität und einer erfüllten Partnerschaft. Allerdings fürchten Patienten mit Herzerkrankungen, dass sie einen Herzinfarkt erleiden, weil sie Geschlechtsverkehr haben. Bislang fehlen den behandelnden Ärzten gesicherte Daten über mögliche Gefahren von sexueller Aktivität, so dass das Thema beim Beratungsgespräch oft ausgespart wird.
Quelle:
- Rothenbacher D et al. Sexual Activity Patterns Before Myocardial Infarction and Risk of Subsequent Cardiovascular Adverse Events. Journal of the American College of Cardiology, Volume 66, Issue 13, 29 September 2015, Pages 1516–1517.