Ihr Recht als Patient: Mitreden und selbst entscheiden
Ihr Recht als Patient: Mitreden und selbst entscheiden
Wir haben die Experten-Tipps für Ihr nächstes Gespräch mit Ihrem Arzt ...
Inhaltsverzeichnis
Unser Gesundheitssystem unterliegt immer mehr dem Diktat der Wirtschaftlichkeit. Auch das Verhältnis zwischen Arzt und Patient bleibt davon nicht unberührt – beide müssen sich neuen Herausforderungen stellen. Wir haben mit Dr. Lothar Zimmermann, Journalist und Arzt, darüber gesprochen, wie Sie als Patient diese am besten meistern.
Die Akteure unseres Gesundheitssystems (allen voran Krankenhäuser und Ärzte) spielen immer mehr nach denselben Regeln wie Wirtschaftsunternehmen. Der Grund: Die personellen und finanziellen Ressourcen für Gesundheitsleistungen sind begrenzt, doch die Ausgaben dafür steigen seit Jahren an – bedingt durch eine immer älter werdende Gesellschaft und neue, kostspielige Behandlungsmethoden.
Das bleibt nicht ohne Folgen für die Patienten. Viele befürchten, dass noch mehr Wirtschaftlichkeit in der Medizin die Qualität der Gesundheitsversorgung schmälert, die Kosten dafür aber steigen werden. Wir haben mit einem Experten über das Problem gesprochen:
Dr. Lothar Zimmermann* ist Arzt und Journalist. In der Sendung „Rückenschmerzen – was nun? Der Gesundheits-Coach“ tritt er als Dolmetscher zwischen zwei Patienten und Ärzten auf. Die Sendung wird am Dienstag, 19. Juli 2016, um 21 Uhr im SWR Fernsehen ausgestrahlt.
Die Forderung von Dr. Lothar Zimmermann: Patienten müssen mündig werden – nur so können sie den Wandel im Gesundheitssystem zu ihren Gunsten nutzen und eine gute medizinische Versorgung erhalten.
Der Patient als Partner
Früher trugen Ärzte weiße Kittel, machten auf wundersame Weise aus kranken Menschen gesunde, und kaum ein Nicht-Mediziner konnte nachvollziehen, wie sie dies fertig brachten. Heute ist das anders, sagt Dr. Lothar Zimmermann: „Patienten haben viele Möglichkeiten, sich über Krankheiten, Behandlungsmethoden oder Medikamente zu informieren.“ Der Wissensvorsprung des Arztes wird dadurch ein ganzes Stück kleiner. Sein Verhältnis zum Patienten aber nicht unbedingt einfacher: Patienten sind immer häufiger gut informiert und fordern mehr Zeit ein, um Fragen zu stellen oder Zweifel zu äußern.
Gleichzeitig stehen Ärzte heute unter größerem Zeitdruck. Ein Grund dafür: Die Gebührenordnung honoriert ein Gespräch mit dem Patienten weniger als eine Untersuchung mit Geräten. Wer sich also erst Zeit nimmt für den Einzelnen und dann zum Ultraschallgerät greift, schmälert dadurch seinen Verdienst.
Ein wirksames Mittel gegen dieses Dilemma ist für Dr. Lothar Zimmermann das Konzept des mündigen Patienten, der sich selbst informiert, seine Rechte kennt und dadurch zum gleichberechtigten Partner des Arztes wird.
Wie Sie zum mündigen Patienten werden? Das sind die Tipps des Experten:
Information und Vorbereitung
Bereiten Sie sich als Patient auf das Gespräch mit Ihrem Arzt vor. Lesen Sie zum Beispiel in der Fachliteratur oder im Internet über Ihre Erkrankung oder mögliche Ursachen Ihrer Symptome. Zwar können und dürfen Gesundheitsportale im Netz keine Handlungsempfehlungen geben, „aber sie können mich vorab informieren, so dass ich im Gespräch mit dem Arzt bessere Fragen stellen kann und ihn besser verstehe“, findet Dr. Lothar Zimmermann.
Tipp: Notieren Sie sich Ihre wichtigsten Fragen, so dass Sie trotz Nervosität an alles denken.
Gesunde Skepsis
Keine Frage: Ihr Arzt ist der Experte, wenn es um Ihre Erkrankung geht. Das bedeutet aber nicht, dass Sie seine Therapieempfehlung oder Medikation nicht hinterfragen dürfen. „Seien Sie skeptisch!“, rät Dr. Lothar Zimmermann. „Die Empfehlung des Arztes ist ein Angebot, aber Sie entscheiden letztlich selbst über Ihren Körper.“
Bestehen Sie außerdem darauf, dass der Arzt Sie umfassend aufklärt: Hat er Behandlungsalternativen genannt? Hat er Sie über mögliche Neben- oder Wechselwirkungen mit bereits verordneten Medikamenten informiert? Ein kompetenter Arzt stellt sich Ihren Fragen und geht auf Ihre Zweifel ein.
Patienten sollten im Gespräch mit dem Arzt viele Fragen stellen und Zweifel äußern dürfen
Ehrlichkeit und gegenseitiger Respekt
Sehen Sie Ihren Arzt als Partner auf Ihrem Weg zu einem gesunden oder zumindest beschwerdefreien Leben. Dazu gehört auch, dass Sie seine Fragen wahrheitsgemäßbeantworten und ihm keine wichtigen Informationen vorenthalten. Es versteht sich außerdem von selbst, dass Sie – auch als mündiger, informierter Patient – den Arzt nicht belehren oder Forderungen stellen.
Der Patient als Kunde
Die Ökonomisierung des Gesundheitssystems fordert nicht nur die Mündigkeit des Patienten heraus, sondern auch sein Urteilsvermögen. Viele Ärzte bieten heute sogenannte individuelle Gesundheitsleistungen (Kurzform: IgeL) an, deren Kosten vom Patienten selbst übernommen werden müssen.
Das Problem: „Als Patient kann ich heute nicht mehr davon ausgehen, dass nur die Behandlung empfohlen wird, die für mich sinnvoll ist“, sagt Dr. Lothar Zimmermann. „Es gibt viele Ärzte, die lehnen IGeL ab, es gibt andere, die setzen sehr darauf, um damit ihr Einkommen zu erhöhen.“
Ähnliches gilt für Operationen: Ein Arzt, der operiert, möchte natürlich möglichst viele Operationen durchführen. „Wenn eine Entscheidung auf der Kippe steht,“ so Dr. Lothar Zimmermann, „kann man sich vorstellen, dass jemand, der an einer Operation verdient, eine entsprechende Empfehlung eher ausspricht, als jemand, der eher konservativ behandelt.“ Dadurch sei eine Situation entstanden, die für den Patienten schwierig ist, so der Experte.
Information und Beratung
Die Lösung für dieses Problem sieht Dr. Lothar Zimmermann in aktiver Selbstinformation: „Wenn ich einen Fernseher kaufe, lasse ich mich beraten, informiere mich und fälle dann eine Entscheidung.“ Ähnlich solle es ein Patient, der nach der besten Behandlungsmethode sucht, auch tun.
Recherchieren Sie im Internet oder lesen Sie Fachliteratur über Ihre Beschwerden oder Ihre Erkrankung.
Lassen Sie sich beraten, vor allem, wenn Ihnen medizinisches Hintergrundwissen fehlt. Patientenverbände wie die Unabhängige Deutsche Patientenberatung können eine Anlaufstelle sein. Fragen Sie im Bekanntenkreis nach, ob sich jemand bereits mit der Erkrankung befasst hat.
Holen Sie für einen wichtigen Befund eine zweite Meinung ein. Viele Krankenkassen nennen ihren Mitgliedern dafür entsprechende Ärzte. Diese überprüfen den Befund und schätzen ihn neu ein. Sind die Ergebnisse dann sehr unterschiedlich, ist unter Umständen sogar eine Drittmeinung sinnvoll.
Nutzen Sie den Informationsservice Ihrer Krankenkasse oder der Verbraucherschutzeinrichtungen in Ihrer Stadt oder Region.
Haben Sie keine Sorge, dass der Arzt sie schlechter behandeln wird, wenn Sie IgeL Leistungen ablehnen. Sagen Sie ihm offen, dass Sie sich gerne noch mehr über die empfohlene Behandlung informieren möchten.
Dr. Lothar Zimmermann
* Unser Experte: Der SWR-Journalist und Arzt Dr. Lothar Zimmermann will die Zuschauer durch den Dschungel eines Gesundheitssystems führen, das immer mehr auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtet ist. Als Arzt und Journalist in einer Person ist Dr. Lothar Zimmermann der ideale Mittler: Er stellt Medizinern genau die richtigen Fragen, überprüft die empfohlenen Therapien und übersetzt „Arzt-Latein“ so, dass Patienten Befunde und Behandlungen verstehen und einordnen können. Vielen Zuschauern ist der Gesundheits-Coach bereits als medizinischer Experte aus der SWR-Reihe „Marktcheck“ bekannt.
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