Homocystinurie ist eine seltene angeborene Stoffwechselstörung, die durch autosomale rezessive Vererbung auftritt. Die Erbkrankheit äußert sich durch eine Störung des Aminosäurestoffwechsels. Es kommt unter anderem zur Überproduktion von Homocystein im Blutplasma und im Urin. Dies führt zu Schäden an Blutgefäßen, die sich zu Gefäßverkalkungen (Arteriosklerose) sowie Blutgerinnseln und weiter zu Thrombosen und daraus folgenden Embolien weiterentwickeln können. Symptome treten meist erst nach dem zweiten Lebensjahr auf. Neben den Blutgefäßen sind vorwiegend das Gehirn, Skelett und die Augen betroffen.
Vor allem mit einer speziellen Ernährung lässt sich Homocystinurie therapieren. Ebenso kommen hochdosiertes Vitamin B6, B12 und Folsäure während der Behandlung zum Einsatz. Bei frühzeitiger Erkennung und konsequenter Therapie verbessert sich die Prognose.
Was ist Homocystinurie?
Homocystinurie (Typ 1) ist eine seltene, autosomal rezessiv vererbbare Aminosäurestoffwechselerkrankung. Die Mutation liegt auf dem MTHFR-Gen. Laut Statistik tritt die Genkrankheit mit einer Häufigkeit von 1 zu 300.000 auf. Die Erkrankung zeigt sich durch stark erhöhte Werte der Aminosäure Homocystein im Blut und im Urin der Betroffenen. Ursächlich führt die Erbkrankheit zu defekten Enzymen, die am Methioninstoffwechsel beteiligt sind. Dabei wandelt sich die essentielle Aminosäure Methionin in den Eiweißbaustein Cystein um. Homocystein entsteht dabei als Abbauprodukt, das unter gesunden Umständen der Körper sofort weiterverarbeitet. Homocystein ist schwefelhaltig und wirkt durch die Anhäufung im Körper toxisch.
Die erhöhte Konzentration von Cystein im Körper kann zu Schäden an verschiedensten Organsystemen führen, wie etwa Augenerkrankungen (Linsenluxation, Myopie, Glaukom), Veränderungen am Skelett, Schädigungen am zentralen Nervensystem sowie des Blutgefäßsystems. Eine zweite Form ist der Typ 2. Bei Homocystinurie Typ 2 liegt ein Enzymdefekt bei der Verstoffwechselung von Homocystein zu Methionin vor. Dies löst einen Methioninmangel aus. Typ 2 tritt jedoch viel seltener auf als Typ 1.
Was sind die Ursachen von Homocystinurie?
Homocystinurie ist eine Erbkrankheit, die sich autosomal rezessiv weitervererbt. Beide Elternteile müssen dafür Träger des Gendefekts sein (homozygot). Der Gendefekt liegt auf einem Autosom. Pro Chromosom gibt es zwei Autosome, wobei Kinder nur jeweils ein Autosom vererbt bekommen. Die Chance, dass die Erkrankung an Kinder weitervererbt bekommen, liegt somit bei 25 Prozent, denn Homocystinurie tritt lediglich dann auf, wenn Kinder sowohl von der Mutter als auch vom Vater je ein mutiertes Autosom erben.
Was sind Homocystinurie-Symptome?
Symptome treten meist erst nach dem zweiten Lebensjahr auf. Dabei sind die Symptome unterschiedlichster Form und je nach Alter der Patienten unterschiedlich ausgeprägt. Vor allem betroffen sind Gehirn, Blutgefäße, Skelett und Augen. Je früher sich die Symptome zeigen, desto größer ist das Risiko für eine physische und psychische Retardierung oder geistige Verhaltensstörung wie Schizophrenie bei den Patienten. Typ-2-Betroffene leiden relativ häufig unter neurologischen Störungen wie Krampfanfällen, die wahrscheinlich von einem Mangel an Methionin herrühren.
Vor allem der hohe Gehalt an Homocystein im Blut ist verantwortlich für viele Symptome der Stoffwechselerkrankung. Zu viel Homocystein schädigt die Blutgefäße. Dadurch kommt es sehr schnell zu Gefäßverkalkungen sowie zu Thrombosen, Embolien und Gefäßverschlüssen, vor allem im Bereich Herz, Gehirn, Nieren und Lungen. Ein weiteres Symptom ist der sogenannte Hochwuchs. Auch dieses Anzeichen der Krankheit lässt sich auf zu viel Homocystein zurückführen. Auch gibt es optische Ähnlichkeiten mit Patienten des Marfan-Syndroms.
Neben dem Hochwuchs sind dabei noch lange, dünne Finger (Arachnodaktylie), Hühner– oder Trichterbrust, verlagerte Augenlinsen (Linsenluxation), grüner Star oder extreme Kurzsichtigkeit sowie Netzhautablösung ähnliche Symptome beider Erbkrankheiten. Ein weiteres typisches Symptom ist Osteoporose, die sich vor allem durch abflachende Wirbelkörper und eine verformte Wirbelsäule zeigt.
Wie erkennt der Arzt Homocystinurie?
Um einen ersten Verdacht zu bestätigen, führt der Arzt spezielle Tests im Labor durch. Da sich das Abbauprodukt Homocystein im Blut sowie im Urin der Betroffenen sammelt, kann er diese untersuchen. Die Urinuntersuchung findet mit einem einfachen Test mit Natriumnitroprussid statt. Dadurch kann der behandelnde Arzt die schwefelhaltige Aminosäure Homocystein im Urin feststellen. Falls diese Werte sich im Test erhöht zeigen, muss der Arzt für eine gesicherte Diagnose der Homocystinurie noch weitere Tests durchführen, wie etwa ein Bluttest. Auch im Blut lässt sich Homocystein durch einen Test nachweisen. Bei Typ-1-Homocystinurie ist ebenfalls der Methioninwert im Blut erhöht, bei Typ-2 ist der Wert niedriger als normal. Der Enzymdefekt ist auch im Bindegewebe nachweisbar.
Die Erkrankung lässt sich bereits in der Schwangerschaft nachweisen. Im Rahmen der Pränataldiagnostik ist es möglich, Genkrankheiten wie Homocystinurie beim ungeborenen Baby noch im Mutterleib zu diagnostizieren. Dafür ist eine Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) nötig.
Wie wird Homocystinurie behandelt?
Da die Erkrankung auf einem Gendefekt basiert, lässt sie sich nicht gänzlich heilen. Eine konsequent durchgeführte Therapie erzielt jedoch in der Regel gute Erfolge. Die Therapie von Homocystinurie versucht in erster Linie, den Wert des Eiweißbausteins Homocystein zu senken. Bei der medikamentösen Behandlung von Homocystinurie kommen gerinnungshemmende Medikamente wie Acetylsalicylsäure zum Einsatz.
Bei der Behandlung gibt es Unterschiede zwischen den beiden Krankheitstypen: bei Typ-1 kommt sehr häufig Vitamin B6 (Pyridoxin) zum Einsatz. Mit Vitamin B6 wird die Aktivität vom defekten Enzym angekurbelt und dadurch die Homocystein-Konzentration im Blut gesenkt. Außerdem hat sich eine methioninarme und cystinreiche Ernährung als erfolgversprechend erwiesen. Dabei gilt es eiweißreiche Nahrungsmittel wie Milchprodukte, Wurst und auch Fisch zu meiden. Bei Typ-2 verabreicht der Arzt Vitamin B12, um die Bildung von Methionin zu unterstützen. Ergänzend hilft eine methioninreiche Ernährung.
Wie kann ich vorbeugen?
Homocystinurie ist eine Erbkrankheit und somit gibt es keine Möglichkeit ihr Vorzubeugen. Lediglich eine frühzeitige Diagnose ist möglich. Falls Eltern bereits wissen, dass sie Träger des defekten Gens sind, können pränataldiagnostische Untersuchungen oder frühzeitige genetische Tests helfen, den Gendefekt beim Ungeborenen zu ermitteln.
Wie sind die Heilungschancen bei Homocystinurie?
Je früher der Arzt die Diagnose Homocystinurie stellt, desto besser für den Verlauf und die Prognose der Stoffwechselerkrankung. Im besten Falle erfasst der Arzt die Erkrankung bereits einige Tage nach der Geburt im Neugeborenen-Screening. Denn wenn die Erbkrankheit unerkannt bleibt, können sich weitere Komplikationen entwickeln.
Durch den hohen Gehalt an Homocystein im Blut besteht ein hohes Risiko, an Thrombosen und Embolien zu erkranken. Vor allem die Bereiche Gehirn, Herz, Lungen und Nieren sind besonders gefährdet. Sind die Blutgefäße bereits geschädigt, können schon im Kindesalter Schlaganfälle, Herzinfarkte oder Lungenembolien auftreten. Startet die Therapie frühzeitig, kommt es bei den Patienten zu einer normalen, altersgemäßen Entwicklung. Auch ein späterer Therapiestart verspricht eine Verbesserung der Symptomatik und Steigerung der Lebensqualität.