Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit sind typische Symptome einer Gehirnerschütterung. Klingen sie ab, scheint alles wieder gut zu sein. Dabei sollte man Schädelhirntraumata auch nach ihrer Heilung ernst nehmen. Sie können die Psyche des Patienten erheblich beeinträchtigen und sogar das Suizidrisiko erhöhen.
Wissenschaftler der Universität in Toronto fanden heraus, dass schon ein leichtes Schädelhirntrauma die Wahrscheinlichkeit eines Suizids um das Dreifache erhöhen kann. Das Risiko sei noch einmal signifikant größer, wenn sich Betroffene die Kopfverletzung am Wochenende zuziehen. Die im „Canadian Medical Association Journal“ veröffentlichten Ergebnisse bestätigten damit ältere Untersuchungen, die ebenfalls auf eine Verbindung zwischen Gehirnerschütterungen und psychologischen Spätfolgen hinwiesen.
Kleiner Unfall, böses Ende
Für die Studie werteten Wissenschaftler Daten von 235.110 Patienten in der kanadischen Provinz Ontario aus. Alle hatten in den vergangenen 20 Jahren ein Schädelhirntrauma ersten Grades erlitten, hatten jedoch keine psychischen Vorerkrankungen. Im Schnitt waren die Studienteilnehmer 41 Jahre alt und lebten mehrheitlich in Städten. Von den Patienten nahmen sich 667 später das Leben – durchschnittlich etwa sechs Jahre nach der Gehirnerschütterung. Aufs Jahr gerechnet, entspricht diese Anzahl (31 Suizide auf 100.000 Einwohner) einer etwa dreimal höheren Selbstmordrate als der in Ontario üblichen (9 Suizide auf 100.000 Einwohner).
Auf die Frage, warum das Suizidrisiko nach einer Gehirnerschütterung steigt, haben die Autoren der Studie noch keine eindeutige Antwort gefunden. Sie vermuten jedoch, dass der Patient dabei Verletzungen im Hirn davonträgt, von denen er sich nie richtig erholt. Auf diese These würden auch Ergebnisse vergangener Studien hindeuten.
Bei Personen, die am Wochenende verunglückten, war das Selbstmordrisiko sogar viermal so hoch wie normal. Weil der Forschungsgruppe Informationen über die Unfallhergänge fehlten, sind die Ursachen für das höhere Risiko an freien Tagen unklar. Dem Hauptautor der Studie Dr. Donald Redelmeier zufolge könnte die notdürftige medizinische Betreuung am Wochenende ein Grund sein. Er nimmt an, dass die Verletzungen schlichtweg nicht ausreichend medizinisch versorgt wurden.
Kopfverletzungen werden oft verharmlost
„Weil die Symptome einer leichten Gehirnerschütterung rasch verschwinden, unterschätzen Ärzte die folgenschweren Auswirkungen oft“, betont Donald Redelmeier. Er wertet die Ergebnisse seiner Studie nicht als Beweis dafür, dass Gehirnerschütterungen suizidale Gedanken auslösen. Sondern erkennt darin viel eher eine Tendenz, der von medizinischer Seite mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden müsste.
Redelmeier appelliert darum an Ärzte und Patienten: Gehirnerschütterungen müssen medizinisch langfristig beobachtet und in die Patientenakte aufgenommen werden. Er ist überzeugt davon: Wenn die Medizin und die Gesellschaft im Allgemeinen leichte Gehirnerschütterungen ernster nehmen würde, könnten Leben gerettet werden.