Wenn Mediziner über Untersuchungen, Diagnosen und Befunde sprechen oder schreiben, verstehen Laien, selbst wenn die Worte an sie gerichtet sind, oftmals nur Bahnhof. Eine Vereinfachung der Medizinersprache mit allgemein verständlicheren Begriffen wird deshalb schon seit Jahren von verschiedensten Seiten gefordert. Doch steht die Frage im Raum: Kann man ein derart komplexes, weitverästeltes Thema überhaupt mit der notwendigen Seriosität vereinfachen?
„Sie leiden an einer Pneumonie in Verbindung mit Tussis und erhöhtem Anfall von Sputum“ erklärt der Hausarzt. Was er meint: Der Patient hat eine Lungenentzündung mit Husten und davon ausgelöstem Auswurf.
Ein anderes Beispiel: „Der Grund für die Affektlabilität der Patientin liegt im Eintreten des Klimakteriums, dies steht auch in Korrelation zur Eigenanamnese.“ schreibt der Frauenarzt, wo er doch nur erklären will, dass die Stimmungsschwankungen seiner Patientin daraus resultieren, dass ihre Wechseljahre begonnen haben und diese Diagnose sich mit dem deckt, was durch die Erzählung der Frau vermutet wurde.
Beispiele wie diese gibt es zuhauf: Etwas, das sich nach Ansicht vieler ohne Einbußen in sprachlicher und medizinischer Präzision erklären ließe, wird von Ärzten gegenüber ihren Patienten so ausformuliert, als handele es sich um ein Gespräch zwischen zwei Medizinern. Und die Kritik daran ist groß. Doch ist sie auch angebracht?
Arzt-Patient – Patient-Arzt: Kalauer und latente Gefahr
Dass man, wenn man eine Arztpraxis verlässt, noch lange darüber sinniert, was der Arzt gesagt hat und doch das Gefühl hat, ihn nicht hundertprozentig verstanden zu haben, dürften viele Menschen kennen. Nicht wenige dürften je nach Mediziner sogar regelrechte Konfusion empfinden.
Der Humorist Eckart von Hirschhausen, selbst Arzt, feiert schon seit Jahren damit große Erfolge, dass er diese teilweise so dramatische sprachliche Diskrepanz auf die Schippe nimmt. Neben seinem darauf aufgebauten Bühnenprogramm veröffentlichte er sogar ein augenzwinkerndes Langenscheidt-Wörterbuch mit dem Titel Arzt-Deutsch – Deutsch-Arzt.
Vielen Kritikern jedoch bleibt das Lachen über dieses Thema im Halse stecken. Sie sehen in der Sprachkluft zwischen dem medizinischen Niveau und dem Level normalgebildeter Patienten eine latente Gefahr: Denn wo Diagnosen und Befunde nicht so kommuniziert werden, dass der Patient exakt das versteht, was der Arzt meint, entsteht nicht nur nach ihrer Ansicht ein besonders großes Risiko für Missverständnisse und davon ausgehende Fehlreaktionen.
Eine Kritik – viele Metaebenen
Dabei lässt sich feststellen, dass die Kritik „Laien verstehen Ärzte oft nicht oder nur mangelhaft“ eigentlich nur eine Zusammenfassung darstellt. Dahinter verbirgt sich eine vielfältige Zahl von Vorwürfen.
Kritik an fachspezifischen Formulierungen:
- Eine durch die komplexe Sprache hervorgerufene Distanzierung vom Patienten, die das sowieso von vielen empfundene „Ranggefälle“ zwischen beiden Personengruppen verstärkt.
- Selbstzweifel: Angesichts des Nichtverstehens stellen viele Menschen das Niveau ihrer Bildung infrage, genieren sich, fühlen sich unsicher.
- Mangelndes Einfühlungsvermögen, weil viele vom medizinischen Personenkreis erwarten, sich in die Patienten hineinversetzen zu müssen – auch durch sprachliche Anpassung.
- Fehlende Vertrautheit: Insbesondere dann, wenn das Arzt-Patienten-Verhältnis bereits lange besteht.
- Arroganz bzw. Geltungsdrang: Manche sind der Meinung, dass Ärzte vornehmlich überkompliziert formulieren, um bedeutungsvoller zu erscheinen.
- Versteckte Kritik, respektive Humor auf Kosten des Patienten. Schon mehrfach war in der Boulevardpresse von angeblichen Ärzte-Codes zu lesen, die diese nur nutzten, um Patienten ohne deren Mitwissen auf die Schippe zu nehmen.
- Verkennen der Lage: Viele Patienten sorgen sich, dass ihnen durch überbordende Fachsprache wichtige Informationen entgehen – sowohl der positiven wie negativen Art. Sie fürchten deshalb, falsch auf ihr Leiden zu über- bzw. unterreagieren.
Interessant ist dabei auch, dass viele Mediziner diese Kritik nicht oder nur in Ansätzen verstehen. Die allermeisten von ihnen handeln nach bestem Wissen und Gewissen und sehen keine Möglichkeit bzw. Notwendigkeit, zu vereinfachen.
Sonderfall ausländische Ärzte
Eine überwältigende Majorität der Kritiken fokussiert sich auf die reine Tatsache, dass zu viele Mediziner zu häufig ein „Fachchinesisch“ bemühen würden. Allerdings kommt man bei der vollständigen Beleuchtung dieses Themas nicht umhin, auch noch einen Neben-Fakt zu bemühen:
Seit einigen Jahren wurde der in Deutschland länger latent vorhandene Ärztemangel zu einem echten Problem. Infolgedessen wurde viel dafür getan, ausländische Mediziner anzuwerben, um die Versorgungslage zu verbessern – medizinische Ausbildung ist, ungleich zu vielen anderen Berufen, kaum durch starke länderübergreifende Unterschiede geprägt. Zudem wird diese in Deutschland nötigenfalls durch Prüfungen nachgewiesen.

Verständigungsprobleme
Oftmals allerdings geschah das nach Ansicht mancher mit zu geringem Fokus auf ebenso ausreichende Deutschkenntnisse. Kritiken kommen von unterschiedlichsten Verbänden und politischen Strömungen. Auch die Forderungen sind immer gleich: Wer in Deutschland praktizieren wolle, müsse sicherstellen und auch nachweisen, dass er die nötigen Sprachkenntnisse habe.
Das Problem daran: Dabei handelt es sich um eine Ländersache. Verpflichtende Sprachstandards für Mediziner gibt es zwar mittlerweile in jedem Bundesland. Jedoch sind sie nicht einheitlich und vor allem nicht einheitlich-streng.
Vielfach führt das dazu, dass Deutschnachweise in dem Land erbracht werden, das die niedrigsten Anforderungen stellt. Im Nachgang kann der Arzt überall praktizieren. Dass darin ein großes Risiko liegt, zeigt eine aktuelle wissenschaftliche Studie, über die das Goethe-Institut berichtet:
„Es konnte gezeigt werden, dass sprachliche Einschränkungen zum Teil
beträchtliche Störungen in den Gesprächen [mit den Patienten] auslösen“
An diesem Punkt kommen zu generellen Verständnisschwierigkeiten durch die Ärztesprache auch noch „normale“ Sprachbarrieren hinzu, welche in der Lage sind, das Problem dramatisch zu verschlimmern. Auch das unterstreicht die Schlussfolgerung der genannten Studie.
Ärzte – und Anwälte, Piloten und weitere
Die Kritik ist laut und vielfältig. Doch um sie einordnen zu können, ist es unabdingbar, das Medizinerdeutsch (das vielfach eher ein Medizinerlatein bzw. -altgriechisch ist) genauer zu analysieren.
Was ist „Ärztesprache“? Letzten Endes handelt es sich dabei um eine Sondersprache, in diesem Fall eine Berufssprache. Damit ist sie insofern kein außergewöhnlicher Einzelfall, als dass es kaum einen Beruf gibt, der kein eigenes Vokabular benutzen würde und das sich teils stark von dem unterscheidet, was wir im alltäglichen Umgang miteinander nutzen.

Notwendig ist das schon deshalb, weil das Umgangsdeutsch vieles schlicht nicht hergibt – oder auch nur die notwendige sprachliche Präzision vermissen lässt. Auch ist Ärztesprache in ihrem Umfang, ungleich zu dem, was viele annehmen, kein singuläres Phänomen. Sie zeichnet sich durch ein enorm großes Vokabular aus. Allerdings gibt es auch viele andere Berufsgruppen, bei denen dies ähnlich umfangreich ist:
- Bergleute
- Jäger
- Juristen
- Piloten
- Seeleute
Angehörige all dieser Gruppen nutzen ebenfalls nicht nur viele „eigene“ Wörter, sondern teils ganze Sätze, die Laien häufig vollkommen unverständlich sind – im Fall der Jägersprache sogar mit erklärter Absicht. Sie entstand auch deswegen, um sich abzugrenzen und als Code, um mithörenden potenziellen Wilderern keine Informationen preiszugeben.
Zahlreiche Anleihen aus dem Lateinischen und Griechischen
Weiter ist Medizin ein global praktiziertes und dort mit kaum nennenswerten Unterschieden behaftetes Feld. Die großzügige Verwendung der überall auf den gleichen Sprachfundamenten fußenden Fachbegriffe nimmt hier jenseits aller Sprachbarrieren die wichtige Funktion einer Lingua Franca an – in früheren Jahrhunderten und weit bis in die Neuzeit hinein war Latein die Sprache, in der sich Mediziner der gesamten Welt unterhalten konnten.
Zwar hat sich dies durch die gesunkene Bedeutung einer allumfassenden universitären Latein-Erziehung abgeschwächt, wird aber durch die Fachbegrifflichkeiten evolutionär fortgeführt. In vielen anderen Berufsgruppen sieht es ähnlich aus, auch wenn dort das Englische vorherrscht.
Auch fehlt der Ärztesprache ein letztes Alleinstellungsmerkmal: Die massive Verwendung von Begriffen aus „toten Sprachen“, namentlich Latein und (Alt-)Griechisch. Auch in anderen wissenschaftlichen Bereichen werden diese ebenso benutzt wie im rechtswissenschaftlichen Bereich – dessen genaue Bezeichnung Jurisprudenz schon eine 1:1-Anlehnung an das lateinische iuris prudentia, „genaue Kenntnis des Rechts“, ist.
Allerdings wird an diesem Punkt auch eine weitere Kritik laut: Bis auf die Juristen hat keine dieser Berufsgruppen so durchgängigen Kontakt mit Laien wie die Mediziner. Und oft wird auch behauptet, dass letztere jenen Willen zur Vereinfachung vermissen lassen, der etwa dann gegeben ist, wenn sich der Pilot aus dem Cockpit meldet und den Passagieren alles Nötige erklärt, ohne dabei in die (englische) Fliegersprache zu verfallen.
Was dabei passieren kann
War es noch bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhundert so, dass die Befolgung der medizinischen Anordnungen praktisch ausschließlich aufgrund der enormen Autorität des Arztes erfolgte, sieht man mittlerweile immer stärker eine Abkehr davon. Grund dafür ist, dass vor allem in westlichen Ländern eine wachsende soziokulturelle Hinterfragung und teils Abwertung von Autoritäten erfolgte.
Auch die Medizin blieb davon nicht unberührt. Es entstand der negativ wertende Begriff der „Halbgötter in Weiß“ von deren „Unberührbarkeit“ man sich freimachen wollte – und es bis zum heutigen Tag vielfach will. Ferner kam auch noch ein gestiegenes allgemeines Bildungsniveau hinzu, in jüngster Zeit ergänzt um die breite Verfügbarkeit medizinischer Informationen durch das Internet.
Die (Wissens-)Kluft zwischen Mediziner und Patient verschmälerte sich deshalb und damit auch die Bereitschaft, Anweisungen nur deshalb zu befolgen, weil ein Arzt sie gibt – ein Thema, das allerdings für sich selbst kritisch gesehen wird, weil hier – diesmal von medizinischer Seite – eine „Besserwisserei“ von Patienten gesehen wird.

Der moderne Ansatz, um sogenannte Compliance oder Therapietreue zu garantieren, also dafür zu sorgen, dass der Patient exakt tut, was der Arzt anordnet, setzt deshalb auf eine Beziehung auf Augenhöhe. Der wichtigste Träger davon ist, dass der Mediziner mittels einer patientengerechten Sprache überzeugen kann. Gelingt das nicht – wie es durch die zu umfangreiche Verwendung von Fachsprache direkt gegeben ist – lässt sich eine signifikante „Gehorsamsverweigerung“, eine Non-Compliance, beobachten.
Je weniger geschickt Mediziner darin sind sich verständlich auszudrücken, desto größer ist das Risiko, dass die Behandlung nicht mit dem Erfolg geschieht, der möglich wäre. Davon ausgehende Risiken sind demnach tatsächlich geringere Heilungschancen oder verzögerte Behandlungserfolge.
Gibt es tatsächlich ein Verständigungsproblem?
Es dürfte sicher sein, dass manche Patienten übertreiben, was die Fachsprachen-Verwendung anbelangt. Allerdings wäre es falsch, dies als generell aus der Luft gegriffen zu bezeichnen:
Es gibt in Deutschland tatsächlich häufig ein Verständigungsproblem. Und das nicht nur von Arzt zu Patient, sondern auch Arzt zu Arzt. So wies die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf erst 2019 in einer Befragung nach, dass Fachärzte, vor allem in schriftlicher Kommunikation mit Allgemeinmedizinern, also Hausärzten, häufig derartig mit Abkürzungen und Fachwörtern um sich werfen, dass selbst ihre approbierten Kollegen Schwierigkeiten mit dem Verständnis bekommen. Ganze 99 Prozent der befragten Hausärzte gaben an, dass es bei Arztbriefen Verbesserungsbedarf gäbe.
Angesichts dessen erscheint es im höchsten Maß wahrscheinlich, dass dies auch im Verhältnis Arzt-Patient häufig vorkommt.
Die medizinische Alltagssprache
Dabei hat die Kritik auch insofern Recht, als dass es tragfähige Alternativen gibt: Die deutsche Sprache ist eine der wenigen, in der sich über Jahrzehnte im medizinischen Bereich eine Zwischenstufe zwischen unpräziser Laiensprache und bedingungsloser Fachsprache herausbilden und etablieren konnte, die medizinische Alltagssprache.
Es gibt im Deutschen für jede medizinische Fachrichtung und eine überwältigende Anzahl von Fachwörtern ein vereinfachtes Wort. Stellt man beispielsweise das Englische dagegen, fällt auf, wie „gut“ wir es eigentlich haben.
Einige Beispiele, um dies zu verdeutlichen:
- Die Clavicula lässt sich problemlos als Schlüsselbein übersetzen. Englisch kennt man ausschließlich Clavicle.
- Die Hernie ist hierzulande auch als Leistenbruch bekannt. Im Englischen gibt es nur die Hernia.
- Das Klimakterium bezeichnet wie erwähnt die Wechseljahre. Im Englischen die Menopause bzw. Climacteric.
- Diabetes ist zwar ein breitbekannter Fachbegriff, kann aber als Zucker vereinfacht werden. Im Englischen kennt man nur Diabetes.
- Der Dermatologe ist hierzulande der Hautarzt, Englischsprachige kennen ausschließlich den Dermatologist, keinen „Skin Doctor“.
- Influenza ist ebenfalls bekannt, wird aber viel häufiger Grippe genannt. Im Englischen ist Flu eine direkte Abkürzung von Influenca.
Zwar gibt es auch im Englischen und anderen Sprachen vereinfachte Alternativen – etwa Chickenpox für Windpocken, die fachsprachlich als Varizella bzw. Varicella bezeichnet werden. Aber im Deutschen ist das Vorhandensein der Alternativworte unglaublich vielfältig. Summa summarum bedeutet das folgendes: Jeder deutschsprachige Mediziner hat in der Tat die Möglichkeit, die komplexe Fachsprache gegenüber seinen Patienten abzulegen und mit ihnen „verständliches Deutsch“ zu sprechen, ohne dass es dabei zu einer Abwertung in der Qualität und Präzision des Vermittelten kommen würde.
Offen bleibt dabei allerdings die Frage: Warum machen es dann manche Mediziner nicht einfach? Dahinter stecken tatsächlich mehrere Antworten, die umfangreicherer Erklärung bedürfen.
Antrainiertes verlernt sich oft schwer
Jeder Mediziner durchläuft eine sehr umfassende universitäre und praktische Ausbildung. Was vielen Laien unbekannt ist, ist, dass dabei nicht nur nackte medizinische Tatsachen vermittelt werden, sondern auch das „Große Drumherum“. Bereits im allerersten Abschnitt eines Medizinstudiums entfällt ein erklecklicher Teil des Aufgabenspektrums auf das Erlernen der medizinischen Terminologien. Das erstreckt sich beileibe nicht nur auf das Auswendiglernen von Fachwörtern, sondern hat in Breite und Tiefe viele Merkmale eines regelrechten Sprachkurses in allen Facetten.
An diesem Punkt steht der erste Grund, warum viele Mediziner nicht von ihrer Fachsprache lassen können: Sie hat sie seit den allerersten Schritten ihrer medizinischen Laufbahn begleitet. Sie wurde wie jedes andere Medizinwissen erlernt, wurde geprüft. In allen praktischen und theoretischen Teilbereichen der Ausbildung wurde von den angehenden Jung-Medizinern zwingend verlangt, diese Fach-Termini einzusetzen. Je nach Ausbilder, Universität etc. war bzw. ist es sogar untersagt, die weiter oben im Text erwähnten Wörter des medizinischen Umgangs-Deutsch zu verwenden.

Für deutsche Ärzte ist deshalb, wenn sie ihre Approbation (die Erlaubnis, als Arzt zu praktizieren) erhalten haben, das Nutzen dieser Fachsprache schlicht zur Normalität geworden. Und etwas Derartiges wieder zu verlernen, kann sehr schwer fallen. Hier tritt zutage, dass auch Mediziner nur Menschen sind. So, wie es jemandem sehr schwer fallen kann, einen langjährig erlernten Dialekt loszuwerden und reines Hochdeutsch zu sprechen, sieht es auch mit dem ärztlichen Fachjargon aus.
Übrigens: Dieses Problem wurde bereits durchaus erkannt. Allerdings befindet sich das Ausbildungswesen erst am Beginn einer Verbesserung. Einige Hochschulen bieten bereits Zusatzkurse, in denen tiefer in Themen wie Didaktik, Wissensvermittlung und Kommunikation eingegangen wird – mit einem Schwerpunkt auf eine maximal augenhohe Interaktion mit den Patienten unterschiedlichster Bildungsschichten.
Übersetzungsschwierigkeiten und mangelnde Alternativen
Wie bereits erwähnt finden sich in der deutschen Sprache zahlreiche medizinische Alternativwörter. Das Problem daran ist: Sie werden (noch) in den medizinsprachlichen Lehrgängen nur mit viel geringerer Intensivität vermittelt. Das führt wiederum dazu, dass manche Ärzte vielleicht weniger populäre Begriffe schlicht nicht bei der Hand haben. Dabei sollte man nicht vergessen, wie dynamisch Gespräche sein können – und es ist auch verständlich, dass ein Mediziner mit Rücksicht auf seinen Eindruck gegenüber dem Patienten nicht lange stocken möchte, weil er den passenden Begriff der medizinischen Alltagssprache überlegen muss.
Auch ein weiterer Fakt muss bedacht werden: Es gibt durchaus Fälle, in denen das Deutsche keine Alternativen bereithält. Ein Beispiel zeigt der zahnmedizinische Bereich. Um Verwechslungen bei der genauen Bezeichnung der einzelnen Zähne zu vermeiden, wurde ein europaweit einheitliches codiertes System, das sogenannte Zahnschema festgelegt.
Es existiert schlicht keine Vereinfachung, um Zahn 27, also den „hintersten Backenzahn des linken Oberkiefers“, schnell und simpel zu benennen – schon weil hier das Risiko bestünde, einen Weisheitszahn (Dritter Molar) zu kommunizieren, weil diese bei vielen Menschen den „hintersten Backenzahn“ markieren und es sogar Fälle von mehreren, hintereinanderliegenden Weisheitszähnen gibt, die sogenannten Distomolaren.
Es steckt also in sehr vielen Fällen weder Un- noch Böswilligkeit dahinter. Allerdings gibt es auch andere Fälle:
Das menschliche Ego
Abermals sind Ärzte nur Menschen, auch wenn viele das nicht so recht wahrhaben. Und als solche sind auch Mediziner nicht davor gefeit, dass ihr Ego in den Berufsalltag Einzug hält. Nehmen wir hier die medizinische Fachsprache als das, was sie auch ist: Ein Statement. So, wie das Verwenden sämtlicher bildungssprachlicher Vokabularien eine Person in den Augen anderer an Ansehen gewinnen lässt, funktioniert es natürlich auch in der Medizin. Der Arzt wirkt weise, wirkt wissend, wirkt intelligent.
Weitere Gründe könnten auch darin zu suchen sein, dass es vielleicht eigene Unsicherheit gibt. Die Begriffe dienen dann gleichzeitig als Halt und Schutzschild. Allerdings: dies können immer nur Annahmen sein. Die Erforschung des Phänomens steht noch am Anfang. Zu mutmaßen, dass ein alter oder junger Arzt grundsätzlich aus diesen Gründen auf zu viel Fachsprache setzt, wäre im höchsten Maß vermessen.
Was man als Patient tun kann
Nicht wenige glauben, dass dieses Thema eine Bringschuld der Mediziner sei. Dem ist allerdings nicht so. Es ist auch eine Aufgabe der Patienten, dazu beizutragen, seinen Arzt zu verstehen.
Tipps für eine bessere Verständigung mit dem Arzt:
- Nachhaken: Wenn man nur vor dem erklärenden Arzt sitzt und stumm nickt, wird dieser naturgemäß annehmen, dass man ihm folgen kann. Wo dem nicht so ist, sollte man das kenntlich machen, auch wenn es den Gesprächsfluss stört. Alternativ kann man auch, wenn man bei einem Facharzt war, sich die Sache vom Hausarzt erklären lassen.
- Eine zweite Person mitnehmen: Was man alleine hört, kann man auch nur alleine überdenken und weiterkommunizieren. Eine Vertrauensperson, die mit einem im Sprechzimmer sitzt, hört das gleiche, versteht aber vielleicht Dinge, die man selbst nicht mitbekommt. Und im Zweifelsfall haben zwei Gehirne immer auch mehr Gedächtnisleistung als nur eines.
- Wiederholen und zusammenfassen: Auch, wenn man sich eigentlich vollkommen sicher ist, das Gehörte verstanden zu haben, sollte man am Ende jedes Gesprächs kurz noch einmal gegenüber dem Arzt mit eigenen Worten zusammenfassen, was man selbst verstanden hat. Dadurch werden Fehler automatisch aufgedeckt und vielleicht versteht der Arzt auch den kleinen Hinweis, dass er es mit der Fachsprache übertrieben hat.
- Einschreiten: Eine gesunde Form von Autorität gegenüber dem Arzt ist schon der Höflichkeit halber immer angebracht. Aber wenn man das Gefühl hat, dass der Arzt es mit seinem Fachjargon völlig übertreibt, sollte man nicht zögern, zu unterbrechen und ihn deutlich darauf hinzuweisen: „Könnten Sie das bitte so erklären, dass ich es verstehe? Sie verwenden zu viele Fachbegriffe“. Das hat nichts mit Respektlosigkeit zu tun. Auch ist die Arztpraxis der falsche Ort für übertriebene Scham. Jeder Arzt weiß, dass sein medizinisches und Bildungsniveau höher ist als das der meisten seiner Patienten.
- Um Schriftliches bitten: Nicht jede ärztliche Anweisung ist so kurz und simpel wie etwa die Anweisung „täglich eine Tablette vor dem Frühstück“. Im Zweifelsfall sollte man deshalb den Mediziner bitten, kurz schriftlich zusammenzufassen, was zu tun ist – vielleicht am PC, denn es gibt ja auch das Klischee der unleserlichen „Ärzteschrift“…