Im Müsli, Brot und Smoothie stecken heute immer öfter getrocknete, rote Beeren oder schwarze Krümel – sogenannte Superfoods, die so exotische Namen wie Açaí, Goji und Chia tragen. Sie liegen absolut im Trend, sollen extrem gesund sein, schlank und schön machen. Klingt super, aber ist es das auch? Wir haben bei einer Expertin nachgefragt.
Was rieselt da denn in die Frühstücksflocken? Dürfen wir vorstellen: Superfoods. Das Europäische Informationszentrum für Lebensmittel definiert die Verkaufsschlager als „Lebensmittel, die aufgrund ihres Nährstoffgehaltes einen höheren gesundheitlichen Nutzen als andere Nahrungsmittel haben„.
Bekannte Vertreter dieser Super-Gattung sind unter anderem:
- Goji-Beeren: die roten Früchte des Gemeinen Bocksdorns, der weit verbreitet in China ist, aber auch in Deutschland wächst. Weitere Namen für die Pflanze sind Chinesische Wolfsbeere oder Gemeiner Teufelszwirn. Goji ist eine Zierpflanze, die in der traditionellen Medizin Chinas einen hohen Stellenwert hat.
- Chia-Samen: Samen einer Pflanzenart, die verwandt mit Salbei ist und fast ausschließlich in Mexiko vorkommt.
- Açaí-Beeren: Früchte einer südamerikanischen Palmenart, die optisch an Schwarze Johannisbeeren erinnern.
- Matcha: pulverisierter Grüner Tee, der seinen Ursprung in der japanischen Teezeremonie hat.
- Maqui-Beeren: Die „Chilenische Weinbeere“ wächst an Bäumen im südamerikanischen Dschungel und ähnelt Heidelbeeren.
- Quinoa: ein Fuchsschwanzgewächs, das aus Südamerika stammt und dessen senfkorngroße Samen wie Getreide verwendet werden können.
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Superfoods als Allheilmittel?
Beeren und Samen, die als Superfoods gehandelt werden, haben das Image, besonders gesund zu sein. Dahinter steckt meist dieselbe wundersame Geschichte: In fernen Ländern − in der Regel irgendwo in Südamerika oder Asien − leben Naturvölker kerngesund bis ins hohe Alter, weil sie seit Jahrtausenden auf diese oder jene Frucht oder Saat schwören.
Für Marketingstrategen sind die exotischen Pflanzen ein gefundenes Fressen, weil sie so prima zum aktuellen Gesundheitstrend passen. Sie vermarkten sie gern als „Schätze der Natur„, die zum Beispiel dafür sorgen, dass die Haut glatt bleibt und man lange lebt − wie Nahrungsergänzungsmittel, die aber nicht synthetisch, sondern natürlich sind.
Also werden Superfoods als wahre Wunderheiler verkauft, die mit ihrem Cocktail an wertvollen Inhaltsstoffen das Immunsystem stärken, vor Übergewicht und Falten schützen, und uns gleichzeitig Schlaganfall, Herzinfarkt und sogar Krebs vom Leib halten. Aber wie viel Wahres steckt in den Wundern? Wenig, meint Diätassistentin Stefanie Metty*.

Die Mär von den Wunder-Lebensmitteln
Stefanie Metty erklärt sich den Hype um die Superfoods als Lust auf etwas Neues, etwas Unbekanntes und darum Attraktives. Aus rein gesundheitlicher Sicht verstehen kann sie den Wirbel aber nicht.
Richtig ist, dass die importierten Beeren und Samen voller Vitamine, Mineralien oder sekundären Pflanzenstoffen stecken. Chia-Samen zum Beispiel sind reich an Ballaststoffen und Omega-3-Fettsäuren. Goji- und Açaí-Beeren sind berühmt für ihre Antioxidantien. Grundsätzlich sind die Inhaltstoffe der Superfoods also durchaus positiv für unsere Gesundheit. Sie deshalb als Wunderheiler anzupreisen, ist dennoch zu kurz geschossen.
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Zunächst fehlen bis dato wissenschaftliche Belege dafür, dass die exotischen Zusätze unserer Gesundheit tatsächlich in hohem Maß nützen. Und selbst wenn es sie gäbe: Wir müssten eine erhebliche Menge der Exoten verdrücken, um von der Wirkung überhaupt zu profitieren, sagt Stefanie Metty. Im Fall von Chia-Samen liegt die Verzehrgrenze pro Tag jedoch bei nur 15 Gramm (etwa ein Esslöffel). Aufgrund ihrer extremen Quellfähigkeit kann es bei größeren Mengen zu Verstopfungen kommen, besonders wenn nicht genug getrunken wird.
Außerdem häufen sich Studien und Tests, die nicht nur die Wirkung der Exoten infrage stellen, sondern sogar Gefahren aufdecken. Dass viele der Superfoods mit Schadstoffen wie Pestiziden, Mineralöl und Cadmium belastet sind, fand Öko-Test bei der Analyse von 22 Produkten heraus. Das Magazin stufte zwei der getesteten Lebensmittel als „nicht verkehrsfähig“ ein.
Außerdem schwierig, vor allem aus der Sicht des Verbrauchers: Der Begriff „Superfood“ an sich ist nicht geschützt. So verkommt der Name schnell zum undurchsichtigen Werbewort, das nichts über Inhaltsstoffe oder Qualität des Lebensmittels aussagt. Alles andere als super und bio sind auch die weiten Transportwege der Importe. Das nüchterne Fazit: Die Exoten haben zu viele Haken, um sie so hoch in den Himmel zu loben, wie die Hersteller es tun.
Warum in die Ferne schweifen?
Ob Pulver, Extrakt oder frische Frucht: Stefanie Metty hält sogenannte Superfoods für eine überflüssige Modeerscheinung. Besonders im Vergleich zu den Pflanzen, die hier bei uns auf dem Feld wachsen, kann sie den Hype nicht nachvollziehen: „Warum vom anderen Ende der Welt einschiffen lassen, wenn wir wunderbare Lebensmittel vor der Tür haben?“
Statt der Chia-Samen, die wegen ihrer Ballaststoffe als Sattmacher gefeiert werden, empfiehlt die Diätassistentin Leinsamen. Die trumpfen ebenfalls mit ungesättigten Fettsäuren und Ballaststoffen wie Lignin auf, das bei Verstopfungen hilft. Großmutters Hausmittel mag im Gegensatz zu den mexikanischen Pflanzensamen altbacken wirken, steht ihnen aber in nichts nach.
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Zu unseren „hausgemachten Superfoods“ mit vielen sekundären Pflanzenstoffen und wenig Fruchtzucker zählt Stefanie Metty ebenfalls diese Früchte und Gemüsesorten:
Alles günstige, gesunde und nicht zuletzt ökologisch wertvolle Alternativen zu den hochpreisigen Importen.
Eine gesunde Ernährung muss möglichst ausgewogen und langfristig angelegt sein. Oder anders gesagt: Wer ständig Ungesundes isst, den wird eine Açaí-Beere in der Schokolade auch nicht retten. Wem der Kopf allerdings nach etwas Abwechslung steht, der kann seinen Speiseplan mit den exotischen Beeren und Samen aufpeppen. Neugierige sollten nur wissen: Kulinarische Wunder sind zumindest von den Chia-Samen nicht zu erwarten, da ihnen jeglicher Eigengeschmack fehlt.
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*Unsere Expertin: Stefanie Metty aus Schwabach bei Nürnberg ist staatlich geprüfte Diätassistentin. Allergologie und Gastroenterologie sind die Schwerpunkte ihres Beratungsangebotes.