Stendhal-Syndrom – Wenn Kunst und Kultur krank macht!

Stendhal-Syndrom – Wenn Kunst und Kultur krank macht!

Manche Reisende sind von Kunst und Kultur buchstäblich überwältigt: Sie erleiden Panikattacken, halluzinieren oder fallen in Ohnmacht.
Inhaltsverzeichnis

Kunst kann sehr überwältigend sein. Beim Stendhal-Syndrom erinnert die Überwältigung jedoch eher an eine Grenzerfahrung.

Dass ein Bild, das Grab eines berühmten Künstlers oder eine Kirche Emotionen auslösen können, ist hinlänglich bekannt und sicherlich schon jedem so passiert. Wenn es jedoch zu einem berauschenden Zustand, Ohnmacht, Apathie oder sogar zu Erinnerungslücken kommt, leidet der Betroffene wahrscheinlich am Stendhal-Syndrom. Was genau das ist und ob Heilungschancen bestehen, erfahren Sie bei uns.

Stendhal-Syndrom – Was ist das und wodurch wird es ausgelöst?

Jedes Jahr erliegen Dutzende Touristen dem sogenannten Stendhal-Syndrom. In Florenz, Paris oder Jerusalem kippen reihenweise Menschen aus heiterem Himmel wie Dominosteine um, erleiden Panikattacken, Herzrasen oder Wahnvorstellungen. Aber können Kirchen, Gemälde, Fresken, Gräber, Museen oder Statuen im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend wirken?

Der Psychoanalytiker Tilmann Moser bejaht dies. Seine Begründung ist physiologischer Natur, ausgelöst durch das gleichzeitige Aufeinandertreffen von unterschiedlichen Emotionen. Quasi ein Gefühls-Tsunami.

Genauso erging es wohl auch dem französischen Autor Marie-Henry Beyle, dessen Pseudonym „Stendhal“ Namensgeber des Syndroms ist. Stendhal reiste als Kunstinteressierter im Jahr 1817 nach Florenz und war bereits vor seiner Ankunft in der italienischen Stadt, von seinen Gefühlen in Ekstase versetzt worden. Auch von den Fresken und Gräbern Michelangelos, Galilei und Machiavelli war Stendhal durchaus überwältigt und emotional, allerdings eher negativ, wie er in seinem Buch schrieb:

„Ich war auf dem Punkt der Begeisterung angelangt, wo sich die himmlischen Empfindungen, wie sie die Kunst bietet, mit leidenschaftlichen Gefühlen gatten. Als ich die Kirche verließ, mir klopfte das Herz; mein Lebensquell war versiegelt und ich fürchtete, umzufallen.“

Ehrlich gesagt klingen Stendhals Worte in diesem Fall eher nach Freitod, als nach emotionaler Leidenschaft für Kunst und Kultur. Es geht als nicht nur um Glücksgefühle, sondern auch um negative und beängstigende Emotionen.

Im Übrigen war es Sigmund Freud, der die berauschende Wirkung von Kunstwerken oder Gebäuden aus psychologischer Sicht betrachtete. Ihn selbst traf das Stendhalsyndrom nämlich in Griechenland. Der Anblick der Akropolis in Athen löste in dem aus Wien stammenden Arzt Freud eine Erinnerungsstörung aus.

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Stendhal-Syndrom – nicht zu unterschätzende Symptome

1979 beschrieb die italienische Psychologin Graziella Magherini erstmals wissenschaftlich die Symptomatik des Stendhal Syndroms und gab der psychosomatischen Störung auch ihren Namen. Erst durch ihre Studie mit 100 typischen Krankheitsfällen von Touristen in Florenz machte die Krankheit weltweit bekannt. Dabei beobachtete Magherini unterschiedliche Symptome:

  • Wahrnehmungsstörungen
  • Halluzinationen
  • Wahnvorstellungen
  • Tiefe Schuldgefühle
  • Affektive Störungen
  • Panikattacken
  • Herzrasen
  • Ohnmachtsanfälle
  • Atemnot
  • Erhöhter Blutdruck
  • Bauchschmerzen und Krämpfe

Interessanterweise waren die meisten Betroffenen weiblich, unverheiratet, allein reisend und zwischen 26 und 40 Jahren jung. Zudem handelte es sich fast ausschließlich um Touristen aus Nordeuropa und den USA. Vielleicht sind Italiener und Südeuropäer im Allgemeinen einfach immun gegen so viel Kunst und prachtvolle Städte, schließlich wachsen sie ja alle schon damit auf und sind es gewohnt.

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Ein junges, heterosexuelles Paar aus Japan küsst sich vor dem Eiffelturm in Paris.
Japanische Touristen haben oft sehr hohe Ansprüche an die Stadt Paris. (c) Colourbox

Paris-Syndrom macht insbesondere Japaner krank

Paris ist bekanntlich die Stadt der Liebe und der/die eine oder andere hat dort schon sein Herz verloren. Mancher Tourist – insbesondere Japaner – dagegen, verlieren in Paris regelmäßig den Verstand. Damit der Aufenthalt nicht zur vollen Katastrophe wird, sollten Besucher die Erwartungen an das Stadtbild nicht zu allzu hoch ansetzen. Japaner scheinen diesen Tipp eher selten zu beherzigen und landen immer wieder mit einem Kulturschock im Krankenhaus. Dabei gibt es inzwischen sogar eine Informationsbroschüre des japanischen Konsulats, welches über das Paris-Syndrom aufklärt und warnt.

Der aus Japan stammende Psychologe Hiroaki Ota arbeitet im Pariser Saint-Anne-Krankenhaus und behandelt seit seiner Auswanderung im Jahr 1989 immer wieder Landsleute, die fast alle die gleichen Symptome aufweisen:

  • Angstgefühle und Angststörungen
  • Verfolgungswahn
  • Suizidale Gedanken

Dabei handelt es sich nicht ausschließlich um Touristen, sondern auch um Japaner, die in Paris leben. Die kulturellen Unterschiede sind dann für manche doch zu heftig. Tritt das Symptom auf und wird frühzeitig erkannt, stehen die Chancen auf vollständige Genesung gut. Bei fortgeschrittener Erkrankung kann die Behandlung jedoch Monate dauern.

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Kann das Stendhal-Syndrom behandelt werden?

Keine Sorge, das Stendhal-Syndrom ist gut und schnell behandelbar. Besonders heftige Fälle werden oftmals in die Psychiatrie eingewiesen. Nicht selten wird die kurze psychologische Betreuung medikamentös mit Diazepam begleitet. Im Normalfall klingen die Symptome jedoch schnell wieder ab und hinterlassen keine Langzeitschäden.

Wäre auch schade, wenn es nicht so wäre, denn Kunst und Kulturgüter sollen zwar durchaus bewusst Gefühle auslösen, jedoch nicht im krankhaften Sinne.

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