Ein kleines Überbleibsel aus der Embryonalphase in unserem Knie kann im Erwachsenenalter große Probleme machen. Die sogenannte Plica ist eine Schleimhautfalte im Kniegelenk. Die meisten Menschen haben eine, die wenigsten davon bekommen sie je zu spüren. Wenn die Plica allerdings im größten Gelenk unseres Körpers zum Störenfried wird, spricht man vom Plicasyndrom. Was das ist und wie es behandelt werden kann, erfahren Sie hier.
Was ist das Plicasyndrom?
Das lateinische Wort „plica“ bedeutet Falte und bezeichnet hier eine ganz spezielle: Bei 50 bis 70 Prozent der Menschen ist sie während des Körperwachstums in der Schleimhaut verblieben, die das Kniegelenk umhüllt. Dort kann sie Beschwerden verursachen, wenn sie durch eine Überbelastung des Kniegelenks gereizt wird. Dann liegt ein Plicasyndrom vor.

Wird auch das umliegende Gewebe gereizt oder scheuert die Plica sogar am Knorpel, kann das unangenehme Folgen haben: Schmerzen, Schwellung, Entzündung bis hin zum Knorpelabrieb. Deshalb sollte ein Plicasyndrom auf jeden Fall behandelt werden. Allerdings ist es auch für den Orthopäden oft nicht leicht zu erkennen, weil die Symptome vielen anderen Erkrankungen am Kniegelenk ähneln.
Was sind die Ursachen für das Plicasyndrom?
Das Kniegelenk ist (wie alle anderen Gelenke) von einer dünnen Schleimhaut ausgekleidet, der Synovia. In der Embryonalphase entwickelt die Synovia eine Membran, die das Kniegelenk zweiteilt. Diese Membran wiederum bildet sich normalerweise im Laufe des Wachstums bis zum Ende der Pubertät wieder zurück. Dabei kommt es häufig vor, dass eine Falte zurückbleibt: die Plica.
Sie kann größer oder kleiner ausfallen, oberhalb (Plica suprapatellaris), unterhalb (Plica infrapatellaris) oder auf Höhe der Kniescheibe (Plica mediopatellaris) liegen. Die Plica mediopatellaris ist die häufigste Ursache für das Plicasyndrom.
Je erhabener die Plica ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es bei starker Beanspruchung des Kniegelenks zu Beschwerden kommt: Sie kann gereizt werden, vor allem durch Bewegungsabläufe, bei denen sich Beugen und Strecken des Knies häufig abwechseln, wie zum Beispiel beim Laufen, Radfahren, Step Aerobic oder Treppensteigen. Eine weitere Ursache für das Plicasyndrom kann eine sogenannte Anprallverletzung durch einen Stoß oder einen Sturz sein.
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Was sind die Plicasyndrom-Symptome?
Ist die Plica gereizt, schwillt sie und eventuell auch das umgebende Gewebe an. Es kann auch zu Einblutungen kommen. Folgende Symptome sind typisch für das Plicasyndrom:
- Schmerzen an der Kniescheibe bei Belastung, im fortgeschrittenen Stadium auch in Ruhe oder nachts
- Schmerzen können in die Kniekehle ausstrahlen, wenn das die Plica umgebende Gewebe ebenfalls gereizt ist
- lautes Knacken des Gelenks bei der Beugebewegung
- Schnappen im Knie, mit oder ohne Schmerz
- Blockadegefühl in der Streckbewegung
- steifes Kniegelenk nach langem Sitzen
- tastbare Verdickung der Plica
- Anschwellen des Kniegelenks
Wie erkennt der Arzt das Plicasyndrom?
Das Plicasyndrom ist schwer zu diagnostizieren. Die Unterscheidung von anderen Kniebeschwerden mit Reizsymptomatik (Erkrankungen an Meniskus, Knorpel oder Bändern) ist nicht so einfach, da sich die Symptome ähneln. Der Arzt versucht festzustellen, wo die Schmerzen genau auftauchen. Ertasten lässt sich die Verdickung der Plica nur in wenigen Fällen. Das Reiben der Plica im Kniegelenk kann spürbar sein.
Es gibt auch einen nicht sehr angenehmen Test: Der Patient spannt die Oberschenkelmuskulatur an, während der untersuchende Arzt die Kniescheibe gegen das Gleitlager drückt. Ist das schmerzhaft (=positives Zohlenzeichen), kann das ein Hinweis auf das Plicasyndrom sein (allerdings auch auf retropatellären Knorpelschaden). Weiteren Aufschluss könnte ein MRT geben, doch auch bei diesem Verfahren ist eine Plica nicht immer sichtbar.
In der Regel handelt es sich bei der Diagnose Plicasyndrom um eine Ausschlussdiagnose. Gewissheit gibt nur eine Kniegelenkspiegelung (Arthroskopie): Unter lokaler Betäubung wird eine Kamera ins Knie eingeführt, um ins Gelenk schauen zu können. Während dieser Prozedur kann der Arzt gegebenenfalls auch gleich die Plica operativ entfernen.
Wie wird das Plicasyndrom behandelt?
Der Arzt muss nicht immer gleich operieren. Behandelt werden sollte das Plicasyndrom aber auf jeden Fall, um Knorpelschaden vorzubeugen.
Was hilft? Der Reiz muss weg! Zunächst kann der Arzt die Entzündung der Plica konservativ behandeln, mit:
- Schonung
- entzündungshemmenden Medikamenten
- Kühlung der entzündeten Plica, zum Beispiel mit Kältekompressen
- Kortisonspritzen können die Symptome zwar schnell abklingen lassen, sind jedoch nur eine kurzfristige Lösung gegen die Schmerzen.
Problematisch kann sein, wenn der durch die Entzündung verhärtete Rand der Plica weiterhin am Knorpel reibt und diesen dadurch angreift. Gerade bei sehr sportlichen Patienten mit Plicasyndrom raten Ärzte deshalb frühzeitig zu einer Operation, bei der die Plica entfernt wird, um einen dauerhaften Knorpelschaden zu vermeiden. Tritt das Plicasyndrom bei Kindern auf, empfiehlt der Arzt eine Operation nur dann, wenn eine konservative Therapie nicht erfolgreich war.
Ablauf der Operation:
Bei der Operation beim Plicasyndrom handelt es sich um einen minimalinvasiven, arthroskopischen Eingriff („Schlüssellochtechnik„). Er kann auch gleich im Zuge einer Kniegelenkspiegelung vorgenommen werden.
- Der Eingriff kann unter lokaler Betäubung erfolgen.
- Es werden zwei kleine seitliche Schnitte gemacht, eine Kamera und ein OP-Werkzeug in das Kniegelenk eingeführt, die Plica wird entfernt.
- Damit Blut und Wundsekret ablaufen können, wird ein Drainageschlauch gelegt.
- Die Dauer der Operation beim Plicasyndrom beträgt in der Regel 15 Minuten.
- Die Operation kann der Arzt ambulant durchführen.

Heilungsprozess nach der Operation:
Der Drainageschlauch wird in der Regel nach etwa zwei Tagen entfernt. Nach Bedarf werden entzündungshemmende Medikamente verabreicht. Nach der Plica-Operation muss der Patient an Krücken laufen, um das Knie nicht zu belasten. Die Krücken kommen so lange zum Einsatz, bis das Gelenk nicht mehr gereizt ist. Das kann wenige Tage, aber auch zwei bis drei Wochen dauern.
Wie lange eine Krankschreibung erfolgt, hängt vom Allgemeinzustand des Patienten und dem Verlauf des Genesungsprozesses ab. Mit etwa einer bis vier Wochen Krankschreibung muss gerechnet werden.
Sport kann in Form leichter Reha schon nach etwa ein bis zwei Wochen wieder ausgeübt werden (sobald sich das Knie wieder beugen und strecken lässt). Bevor aber zum Beispiel wieder zum Jogging aufgebrochen wird, muss zunächst ein intensives Aufbautraining (inklusive Sprungtraining!) erfolgt sein. Der Patient sollte so lange kein Sport treiben, ehe das Knie wieder stabil ist (vier bis sechs Wochen nach OP).
Nachbehandlung nach der Operation:
Die Nachbehandlung besteht in Physiotherapie und Aufbautraining. Der Patient sollte die Streckmuskulatur des Oberschenkels sogar gleich nach der OP trainieren. Zur Stabilisierung im Kniegelenk und einer Zentrierung der Kniescheibe muss der Patient die Oberschenkelmuskulatur gezielt trainieren. Ziel ist es, Druck auf die Kniescheibe zu vermeiden.
Welcher Arzt ist zuständig für das Plicasyndrom?
Experte für das Plicasyndrom ist der Orthopäde, unter den Orthopäden wiederum der Kniespezialist.
Wie kann ich dem Plicasyndrom vorbeugen?
Wenn der Arzt die Plica nicht operativ entfernt, sondern konservativ behandelt hat, gibt es Maßnahmen, um ein erneutes Aufflammen des Plicasyndroms zu vermeiden:
- Physiotherapie zur Mobilisation der Kniescheibe und zur Dehnung der Kniegelenkmuskulatur, um Druck auf die Kniescheibe zu vermindern
- gezieltes Training zur Stabilisierung im Kniegelenk (Oberschenkel- und Rumpfmuskulatur)
- Ursachen erforschen und beheben: herausfinden, welche Bewegungsabläufe das Plicasyndrom auslösen und was dabei eventuell buchstäblich schief läuft (wenn zum Beispiel die Kniescheibe aufgrund ungleich stark ausgebildeter Muskeln im Oberschenkel nicht richtig „geführt“ wird), dann entsprechend physiotherapeutisch gegensteuern
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Wie sind die Heilungschancen beim Plicasyndrom?
Ist der Knorpel noch nicht zu sehr geschädigt, tritt nach einer operativen Entfernung der Plica meist innerhalb kurzer Zeit eine deutliche Besserung ein. Der Störfaktor ist beseitigt, das Knie lässt sich ungehindert und schmerzfrei wieder beugen und strecken. Wichtig ist aber, das Aufbautraining nicht zu vernachlässigen!
Nach einer konservativen Behandlung ohne Knie-OP können die Klärung und Behebung von Ursachen und intensives Training zur Entlastung der Kniescheibe eventuell einen Rückfall vermeiden.
Ergänzung: Plicasyndrom im Ellenbogen
Das gleiche Phänomen wie im Knie kann auch im Ellenbogen auftreten. Dann ist die Plica radialis die Übeltäterin. Auch diese Schleimhautfalte ist ein Überbleibsel aus der Embryonalphase und macht in der Regel keine Beschwerden – es sei denn, sie wird zwischen den Gelenkknochen eingeklemmt (Impingement) oder es kommt zu wiederholter Mikrotraumatisierung (beim Sport zum Beispiel).
In diesem Fall treten Schmerzen und Schnapp-Phänomene auf. Die Behandlung verläuft im Prinzip wie beim Plicasyndrom im Knie zunächst konservativ (Schonung, entzündungshemmende Medikamente). Eine Operation erfolgt nur, wenn die konservative Therapie nicht erfolgreich war. Auch die Nachbehandlung ist der beim Knie vergleichbar (Physiotherapie).