Diabetes: Was Sie über die Volkskrankheit wissen sollten

Diabetes: Was Sie über die Volkskrankheit wissen sollten

Wir haben die wichtigsten Fragen zur Zuckerkrankheit einem Experten gestellt. Hier sind die Antworten: ...
Inhaltsverzeichnis

Wie entsteht die gefürchtete Zuckerkrankheit, welche Formen gibt es, was sind die ersten Anzeichen? Wir haben nachgefragt bei Professor Doktor Thomas Jürgen Haak, Chefarzt am Diabetes Zentrum Mergentheim. Der Experte erklärt im Interview, was Sie über Diabetes wissen sollten.

gesund & vital (g&v): Was ist Diabetes?

Prof. Dr. Thomas Jürgen Haak:Diabetes mellitus, umgangssprachlich auch als „Zuckerkrankheit“ bezeichnet, ist eine Stoffwechselerkrankung, bei der zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes unterschieden werden muss. Während bei stoffwechselgesunden Menschen das Hormon Insulin im Körper dafür sorgt, dass Glukose aus der Blutbahn in die Körperzellen gelangt, ist diese Funktion bei Menschen mit Diabetes gestört: Es kommt zu einem absoluten (Typ-1-Diabetes) oder relativen (Typ-2-Diabetes) Insulinmangel.“

g&v: Was ist der Unterschied zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes?

Prof. Dr. Haak: „Bei Typ-1-Diabetes handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der kein körpereigenes Insulin mehr produziert wird und deren Auslöser weitgehend unbekannt sind. Die Krankheit manifestiert sich meist schon im Kindes- oder Jugendalter und macht eine lebenslange Insulintherapie unumgänglich.

Typ-2-Diabetes hingegen bezeichnet eine fortschreitende Insulinresistenz der Körperzellen. Es wird zwar noch genügend Insulin produziert – dieses kann jedoch die Glukose teilweise nicht mehr in die Zellen transportieren, da die Zellen immer unempfindlicher gegenüber Insulin werden. Die Glukose verbleibt stattdessen zunächst im Blut. Der Körper reagiert darauf zunächst mit einer gesteigerten Insulinproduktion, um die zunehmende Resistenz zu kompensieren. Langfristig führt die Insulinresistenz jedoch zu dauerhaft erhöhten Blutzuckerwerten.“

g&v: Gibt es noch weitere Diabetes-Typen?

Prof. Dr. Haak: „Neben Typ-2-Diabetes (90 Prozent der Diabeteserkrankungen) und Typ-1-Diabetes (etwa fünf Prozent) gibt es jedoch noch weitere, weitaus seltenere Erkrankungsformen, die etwa durch Vorerkrankungen, genetische Defekte oder bestimmte Medikamente verursacht werden. Eine Sonderform stellt der Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes) dar, der ausschließlich bei schwangeren Frauen auftritt und nach der Entbindung meist wieder verschwindet.“

g&v: Welcher Diabetes-Typ ist am verbreitetsten und warum?

Prof. Dr. Haak: Etwa 90 Prozent der Diabetespatienten sind Typ-2-Diabetiker – Typ-2-Diabetes gilt daher als Volkskrankheit. Dies ist unter anderem auf ungesunde Lebensgewohnheiten in einer modernen Wohlstandsgesellschaft zurückzuführen: Viele Menschen bewegen sich zu wenig, sitzen zu viel und ernähren sich ungesund, das heißt mit vielen süßen, fettigen oder stark verarbeiteten Lebensmitteln, was wiederum zu Übergewicht führen kann. Dieser Lebenswandel begünstigt viele Krankheiten, sowohl Herz-Kreislauf-Erkrankungen als auch Gelenkerkrankungen wie Arthrose und eben auch die Entstehung von Typ-2-Diabetes.

>Erfahren Sie mehr über Diabetes und Ernährung

g&v: Ist Typ 2 Diabetes eine Frage des Alters oder sind auch jüngere Menschen davon betroffen?

Prof. Dr. Haak: „Früher wurde Typ-2-Diabetes auch als ‚Altersdiabetes‚ bezeichnet. Da es meist mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte dauert, bis die Insulinresistenz Symptome verursacht, wurde die Krankheit erst im fortgeschrittenen Alter diagnostiziert. Wandelnde Lebensgewohnheiten und ein ungesunder Lebensstil sorgen jedoch dafür, dass Typ-2-Diabetes heutzutage immer häufiger auch bei jüngeren Menschen, in seltenen Extremfällen sogar bei Kindern und Jugendlichen, auftritt.“

g&v: Was versteht man unter einem Prädiabetes?

Prof. Dr. Haak: „Als Prädiabetes bezeichnet man die Vorstufe eines Typ-2-Diabetes. Bei den Patienten liegen erhöhte Glukosewerte vor, die jedoch noch nicht als Diabeteserkrankung definiert werden. Dennoch gehört auch Prädiabetes in ärztliche Behandlung, denn bereits leicht erhöhte Glukosewerte können das Risiko für Folgeschäden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Nervenschäden erhöhen.“

g&v: Ab welchen Blutzuckerwerten spricht man von einem Diabetes?

Prof. Dr. Haak: „Bei gesunden Menschen liegen die Blutzuckerwerte normalerweise zwischen etwa 70 mg/dl (3,9 mmol/l)* und 110 mg/dl (6,1 mmol/l) im nüchternen Zustand. Maximal können sie nach dem Essen auf 160 mg/dl (8,9 mmol/l) steigen und befinden sich zwei Stunden nach dem Essen wieder bei unter 140 mg/dl (7,7 mmol/l).
Von Diabetes spricht man bei:

• Nüchternwerten >125 mg/dl (7,0 mmol/l) im venösen Blut
• Bei Werten >109 mg/dl (6,1 mmol/l) im Blut aus der Fingerbeere
• bei Werten (nicht-nüchtern) >200 mg/dl (11,1 mmol/l)

Werte zwischen 110 und 125 mg/dl weisen auf Prädiabetes hin.“

Kontrolle der Blutzuckerwerte
Eine regelmäßige Kontrolle der Blutzuckerwerte ist für Diabetiker unerlässlich. (c) colourbox

g&v: Bei welchen Warnsymptomen sollte man an Diabetes denken?

Prof. Dr. Haak: „Die Symptome für eine Typ-1-Diabeteserkrankung sind vor allem ein starkes Durstgefühl und ständiger Harndrang, allgemeine Müdigkeit und Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust, Kopfschmerzen und Schwindel. Diese Symptome treten meist innerhalb weniger Tage bis Wochen als Folge des dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegels auf. Steigt dieser weiter, kann als weiteres Alarmsignal Acetongeruch in der Atemluft hinzukommen.

Bei Verdacht auf Typ-1-Diabetes sollte umgehend ein Arzt aufgesucht werden – bleibt Typ-1-Diabetes zu lange unbehandelt, droht ein diabetisches Koma, das tödlich enden kann.

Typ-2-Diabetes entwickelt sich häufig schleichend und über Jahre hinweg. Hier fallen die Symptome weniger deutlich aus und bleiben oft jahrelang unbemerkt. Müdigkeit, Erschöpfung, Schwindel sowie trockene Haut, Juckreiz oder Sehstörungen können auf eine Typ-2-Diabeteserkrankung hinweisen. Auch diese Symptome sollten schnellstmöglich ärztlich abgeklärt werden.“

g&v: Kann man Diabetes bekommen, weil man regelmäßig Süßigkeiten nascht?

Prof. Dr. Haak: „Einen direkten Zusammenhang zwischen Süßigkeiten und Diabetes gibt es nicht. Allerdings kann eine ungesunde Ernährung mit zu vielen süßen, fettigen oder stark verarbeiteten Lebensmitteln Übergewicht begünstigen – Übergewicht wiederum ist ein Risikofaktor für eine Typ-2-Diabeteserkrankung.“

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g&v: Was ist ein Schwangerschaftsdiabetes und wie unterscheidet er sich von Typ-1- und Typ-2-Diabetes?

Prof. Dr. Haak: „Bei einem Schwangerschaftsdiabetes verursachen Schwangerschaftshormone eine Insulinresistenz. Rechtzeitig erkannt, lässt sich die Erkrankung meist gut behandeln und nach der Entbindung funktioniert der Stoffwechsel in der Regel auch wieder normal. Einen Zusammenhang zu Typ-2-Diabetes gibt es dennoch: Frauen mit einer familiären Veranlagung zu Typ-2-Diabetes haben auch ein erhöhtes Risiko, an Schwangerschaftsdiabetes zu erkranken.

Umgekehrt haben Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, später eine Typ-2-Diabeteserkrankung zu entwickeln. Als weitere Risikofaktoren für Schwangerschaftsdiabetes gelten starkes Übergewicht der Mutter vor der Schwangerschaft beziehungsweise eine starke Gewichtszunahme während der Schwangerschaft sowie ein Alter der Mutter von über 35 Jahren.“

g&v: Welche Art von Diabetes haben Kinder und Jugendliche?

Prof. Dr. Haak: Kinder und Jugendliche erkranken fast immer an der Autoimmunerkrankung Typ-1-Diabetes.

g&v: Welche Rolle hat das Insulin im Körper und was läuft bei einem Diabetiker falsch?

Prof. Dr. Haak: „Insulin hat im Körper im wahrsten Sinne des Wortes eine Schlüsselfunktion – das Hormon schleust Glukose, die wir über die Nahrung (vor allem über Kohlenhydrate) zu uns nehmen, aus dem Blut in die Zellen. Insulin wird in den Betazellen der Langerhans-Inseln, einem Teil der Bauchspeicheldrüse, produziert. Bei der Autoimmunerkrankung Typ-1-Diabetes stellt der Körper die Insulinproduktion ein, das heißt, um weiterhin Glukose transportieren zu können, muss Insulin von außen zugeführt werden.

Bei Typ-2-Diabetes sind die Körperzellen selbst das Problem: Diese werden nämlich immer unempfindlicher gegenüber dem Insulin: Das Insulin kann die Zellen also immer häufiger nicht aufschließen, um Glukose ins Zellinnere zu schleusen.“

Bauchspeicheldrüsenkrebs wird leider meist erst spät erkannt.
Das Hormon Insulin wird in der Bauchspeicheldrüse produziert. (c) yodiyim / Fotolia

g&v: Lässt sich Diabetes heilen?

Prof. Dr. Haak: „Typ-1-Diabetes lässt sich nicht heilen: Hier ist immer eine lebenslange Insulintherapie notwendig, um den Mangel an körpereigenem Insulin zu kompensieren. Auch Typ-2-Diabetes ist nicht im klassischen Sinne heilbar, lässt sich jedoch ebenfalls gut behandeln. Bei einigen Patienten hilft eine Änderung der Lebensgewohnheiten, etwa eine Ernährungsumstellung und Gewichtsabnahme, um die Blutzuckerwerte wieder zu normalisieren. Die Erkrankung kann jedoch in höherem Alter erneut auftreten. In anderen Fällen ist eine medikamentöse Behandlung notwendig.“

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g&v: Wann muss ein Typ-2-Diabetes mit Medikamenten behandelt werden?

Prof. Dr. Haak: „Wenn trotz verändertem Lebensstil (unter anderem Gewichtsabnahme, gesteigerter Bewegung) keine Verbesserung der Blutzuckerwerte eintritt, sollte ein Typ-2-Diabetiker mit Medikamenten, sogenannten oralen Antidiabetika, behandelt werden, um die Insulinresistenz zu kompensieren.“

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g&v: Wann braucht ein Typ-2-Diabetiker Insulin?

Prof. Dr. Haak: „Dies ist von Patient zu Patient unterschiedlich. Reicht die Behandlung mit Tabletten nicht mehr aus, um die Blutzuckerwerte zu stabilisieren oder es kommt zu einem deutlichen Rückgang der Insulinbildung, müssen auch Typ-2-Diabetiker von außen Insulin zuführen.“

g&v: Wird aus einem Typ-2-Diabetes, der mit Tabletten behandelt wird, im Alter immer ein insulinpflichtiger Diabetes oder lässt sich dieses Schicksal abwenden?

Prof. Dr. Haak: „Ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung und ausreichend Sport (mit einer Gewichtsreduktion) und unter Umständen eine Therapie mit oralen Antidiabetika kann als Therapie auch ausreichend sein.“

g&v: Welche Spätfolgen kann ein Diabetes haben?

Prof. Dr. Haak: „Eine Diabeteserkrankung, die nicht gut eingestellt ist, kann Schäden der Blutgefäße und Nerven verursachen. Dies kann zu Schlaganfällen, Herz- und Nierenerkrankungen führen. Auch diabetische Augenkrankheiten, Durchblutungs- und Wundheilungsstörungen können auftreten.“

g&v: Was kann ein Diabetiker tun, um Spätfolgen zu verhindern?

Prof. Dr. Haak: „Wichtig ist es, eine konstante Einstellung der Blutzuckerwerte im Normbereich zu erreichen, sodass weder zu hohe noch zu niedrige Werte auftreten. Nur so kann Spätfolgen bestmöglich vorgebeugt werden.“

g&v: Wie lässt sich einem Diabetes vorbeugen?

Prof. Dr. Haak: „Typ-1-Diabetes kann nicht vorgebeugt werden, da es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt. Typ-2-Diabetes hingegen kann in vielen Fällen durch einen gesunden Lebensstil mit ausgewogener Ernährung und genügend Bewegung vorgebeugt werden.“

g&v:  Müssen Diabetiker lebenslang eine spezielle Diät einhalten?

Prof. Dr. Haak: „Nein. Diabetiker sollten generell eine gesunde und ausgewogene Ernährung anstreben. Bei Übergewicht sollte eine Gewichtsreduktion in Angriff genommen werden. Auch ein völliger Verzicht auf Kohlenhydrate, der früher oft empfohlen wurde, ist nicht notwendig. Vielmehr geht es darum, bewusst zu essen und zu erkennen, wie die Nahrung auf die eigenen Blutzuckerwerte Einfluss nimmt.“

g&v: Dürfen Diabetiker Süßes essen oder müssen sie lebenslang darauf verzichten?

Prof. Dr. Haak: „Diabetiker dürfen Süßigkeiten essen, es gilt aber – wie bei gesunden Menschen übrigens auch – nur in Maßen genießen, nicht in Massen. Zudem ist vor und nach dem Verzehr der Süßigkeiten eine genaue Kontrolle der Blutzuckerwerte erforderlich. Nur so können zu hohe oder zu niedrige Werte vermieden werden.“

g&v: Warum muss ein Diabetiker seine Blutzuckerwerte messen?

Prof. Dr. Haak: „Eine regelmäßige Blutzuckerkontrolle ist unerlässlich, um Insulin richtig zu dosieren oder den Stoffwechsel in besonderen Situationen wie körperlicher Bewegung zu überprüfen. Nur durch konsequente Kontrolle können Blutzuckerwerte im Normbereich gehalten werden und zu hohe oder zu niedrige Werte verhindert werden. Diese Prävention ist besonders zur Verhinderung von Spätfolgen wichtig.“

*Blutzuckerwerte werden entweder in „Milligramm pro Deziliter“ (mg/dl) oder in „Millimol pro Liter“ (mmol/l) angegeben.


 

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